Sonntag, 25. Januar 2009

Nachlese zur israelsolidarischen Kundgebung auf dem Berner Münsterplatz

Wir gingen also zu zweit letzten Samstag auf den 11.43-Uhr-Bus Richtung F. Dort ankommend, warteten wir auf den Intercity, der um 12.14 Uhr Richtung Bern losfuhr. Wie es sich mit den SBB verhält, die an ihre Kapazitätsgrenzen stösst, war auch dieser Zug gut besucht. Wir sahen bereits vereinzelte Zugpassagiere aus der Westschweiz mit Israel-Fahnen. Diese Leute würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit später ebenfalls an der Kundgebung teilnehmen. Es waren dies - im Gegensatz zu den Teilnehmern der 'Friedensdemonstrationen' der vorangegangen 2 Wochenenden - keine Fanatiker oder verschleierte Frauen - im Gegenteil. Die Leute sahen sehr friedlich aus und die emanzipierten Frauen schienen nicht den Eindruck zu hinterlassen, dass sie sich eines patriarchalen Ehr- und Familienbegriffes unterwerfen würden. So soll es sein.

Links vor uns sass ein betrunkener frankophoner Herr, der, so wie ich aus der Konversation heraushörte, zwei schwedische (oder dänische, Hauptsache: skandinavische) Touristinnen mit seinem lebensfröhlichen Charme zu bezirzen versuchte. Die Touristinnen wiesen jedoch letztlich die Charmeoffensive des Herrn galant zurück. Wenn ich mich nicht gerade über die zum Teil peinlichen Anmachversuche des frankophonen Herrn amüsierte und gleichzeitig auch ein wenig fremdschämte, las ich die Samstagsausgabe der 'Neuen Zürcher Zeitung'. In der kurzen Reisezeit las ich unter anderem folgenden Artikel vom Hamas-Terrorversteher Viktor Kocher: "Bittere Worte gegen Israel in Dauha - Der Hamas-Chef und Asad für eine neue Ära des Widerstandskampfs" (Link). Ich kam also zusätzlich in Fahrt.

Schliesslich in Bern ankommend, wuselten wir uns durch das samstägliche Pulk von einkaufswütigen Warenfetischisten, bluttuchtragende (damit ist der Pali-Lappen gemeint; das Bluttuch der Judenvernichtung) Jugendliche und einige andere. Zuerst bedurfte es jedoch noch der Stärkung - so begaben wir uns in ein Restaurant der Fast-Food-Kette Mc Donald's - diejenige Kette gastronomischen Betriebes, die in ihrer einfachen globalen Strategie die globalisierte moderne Vergesellschaftsungserfahrung sehr schön reflektiert. In der 'Welt' hiess es, glaube ich, einmal, dass Länder, die Mc Donald's hätten, keine Kriege führten..

Wie dem auch sei: Gerade knapp ausreichend gesättigt - wie es sich bei Mc Donald's-Burgern halt so verhält - gingen wir schliesslich auf den Münsterplatz, wo die Kundgebung stattfand. Vor Beginn der Ansprachen zirkulierten noch einige Flugblätter durch die Reihen. Eines machte auf eine Neuerscheinung eines Buches aufmerksam, das ich an dieser Stelle gerne weiterempfehle: 'Der ewige Sündenbock' von Tilman Tarach. Wir diskutierten einige Tage nach der Kundgebung, ob der Flyer von diesem Autor persönlich in Bern verteilt wurde. Wir fragten uns dies vor allem vor dem Hintergrund eines sehr lesenswerten Artikels auf Lizas Welt ("Die Hätschelkinder der Uno (I)" sowie "Die Hätschelkinder der Uno (II)"), der von diesem offenbar tollen Autor verfasst worden ist. Wir erinnerten uns daran, dass ein langhaariger Mann diesen Flyer verteilt hat, der demjenigen langhaarigen Mann auf dem Foto nicht unähnlich sah..wie auch immer. Am Rande der Kundgebung konnte man auch ein paar wenige friedensbewegte junge Frauen und Männer, wahrscheinlich aus der autonomen Szene der Reithalle Bern, beobachten. Eine junge friedensbewegte, offenbar angeblich linke Frau verteilte ebenfalls einen Flyer. Uns liegt ein Exemplar vor, das ich nun zitiere:
"Solidarität mit Gaza! Stop Israel

Seit dem 27. Dezember 2008 befindet sich Israel in einem schwerwiegenen Krieg gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen.

Bisher hat diese Offensive über 1000 tote (sic!), darunter viele Frauen und Kinder, und fast 5000 verletzte Palästinenser gefordert.

Dazu kommt die andauernde Zerstörung der Infrastruktur von Gaza (Spitäler, UN - Schulen und Materiallager, Universität und Medienzentrum wurden bombardiert)
Konkret bedeutet dies, die Zukunft des Gazastreifens wurde zerstört!

Die Dimensionen dieses Massakers zeigen deutlich, dass es sich hierbei längst nicht mehr um Selbstverteidigung handelt, sondern viel mehr um einen regelrechten Genozid.

Die IDF (Israel Defence Force (sic!)) verstösst massiv gegen Kriegs-Gesetze und verwendet chemische Waffen (weisse Phosphor Bomben (sic!)) gegen Zivilisten. Dies ist ganz klar ein Verstoss gegen internationales Recht und somit illegal!

Die USA, verbündet mit Israel, blockiert die Friedensgespräche und verhindern eine Resolution des UN-Sicherheitsrates.

Im Angesicht dieser Fakten, fordern wir:

- Ein sofortiger stop (sic!) der Bombardierung über Gaza.
- Rückzug der Truppen aus dem Gazastreifen.
- Entschädigung für die Kriegsopfer.
- Eine rechtliche Untersuchung gegen die israelische Regierung, durch den internationalen Gerichtshof in Den-Haag.
- Die Infragestellung der USA als valides Mitglied des UN-Sicherheitsrates.
- Das sofortige Verhandeln des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung."
Die friedensbewegte junge Frau blieb trotz dieses schwachsinnigen Pamphletes körperlich unversehrt - etwas, worüber ich im gegenteiligen Szenario erhebliche Zweifel anmelden würde.

Da der Platz vor dem Berner Münster von aristokratischen Häusern flankiert wird, hatte es die Sonne zu dieser Uhrzeit schwer, den Platz mit Sonnenlicht zu durchfluten, wie es einer solchen Veranstaltung zugestanden wäre. So war es im Schatten also einigermassen kalt. Glücklicherweise erwärmte uns jedoch die Begrüssung von Karl-Hartmut Mörschel, Präsident der Gesellschaft Schweiz-Israel, Sektion Bern. In seiner Begrüssungsrede, die mit viel Charme, Witz und vor allem Klugheit vorgetragen wurde, rückte er gleich zu Beginn die Verhältnisse, die unmittelbaren Ursachen für den Gazakrieg sowie die mörderische antimodernistische und antisemitische Ideologie der Hamas zurecht - etwas, das man im aufgeheizten Klima, in dem sich der hinterletzte Judenhasser wieder getraut, seine antisemitische Fratze hervorzukehren, oftmals leicht zu vergessen droht. Mörschel moderierte sodann mit Witz und Charme durch die rund einstündigen Redebeiträge der geladenen Persönlichkeiten. Auf diese möchte ich an dieser Stelle allerdings nicht mehr detailliert eingehen, da auf zwei der fünf Beiträge bereits verwiesen worden ist. Bei den fünf Reden handelte es sich, wie bereits im letzten Beitrag geschrieben worden ist, grösstenteils um wichtige und richtige Beiträge. Die erste Rede, gehalten von der Zentralpräsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel, der Sozialdemokratin Vreni Müller-Hemmi, fand ich etwas mau. Mir schien, dass vor dem Hintergrund einer israelsolidarischen Kundgebung, die inmitten einer antisemitisch aufgeladenen Weltmeinung stattfand, in dieser Rede der Genfer Initiative eine deplatziert wirkende hohe Bedeutung zukam. Freilich, es handelte sich - im Unterschied zu den antisemitischen Protesten der Vorwochen - tatsächlich um eine Friedensdemonstration. Es wurden keine Hass-Parolen gerufen, keine einseitigen Schuldzuweisungen vorgenommen etc. Vreni Müller-Hemmi erklärte im Gegenteil sogar, wenn ich mich recht erinnere, dass auch Israel Fehler begangen habe. Dies will der Autor dieser Zeilen gewiss nicht etwa abstreiten. Doch im Gazakrieg dürfte doch recht eindeutig sein, wer die hauptverantwortliche Partei für die Eskalation war? Obwohl ich nicht mit jedem Punkt bei Frau Müller-Hemmis Rede einverstanden war, so sollte doch immerhin der Grundtenor ihrer Rede richtig gewesen sein.

Die anderen Reden waren gut. Insbesondere die Worte vom freisinnigen Nationalrat Markus Hutter stimmten. Was er sagte, war sehr wahr. Nach einer guten Stunde waren die Reden leider bereits vorüber und die Leute sangen zum Schluss die HaTikvah, die israelische Nationalhymne. Um den friedlichen (und bisweilen auch folkloristischen) Charakter dieser Demonstration noch zu verdeutlichen, vielleicht noch das Video von pi news zur HaTikvah:



Am Schluss gab es noch einen Glühwein, ehe wir uns wieder Richtung Bahnhof machten und die kurze Heimreise nach F. antraten.

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