Freitag, 9. Januar 2009

Dan Diner - ein präziser Zeitdiagnostiker

Dan Diner, Historiker, gehört sicherlich zu meinen bevorzugten Autoren des Zeitgeschehens (vergleiche seinen sehr lesenswerten Artikel von 'Spiegel online'). So kann beispielsweise auch bei der Stiftung der Privatbank 'Vontobel' seine Publikation 'Aufklärungen' kostenlos bezogen werden. In der gestrigen Ausgabe der 'Neuen Zürcher Zeitung' erschien sodann endlich einmal ein vernünftiger Artikel vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges (veröffentlicht im Feuilleton), der sich - freilich auf einer sublimierten professoralen Wissens-Ebene - mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt beschäftigt. Endlich vor allem deshalb, weil die 'Neue Zürcher Zeitung' mit ihrem Nahost-Korrespondenten, Viktor Kocher, die derzeitige Situation doch eher palästina-freundlich und latent, manchmal aber auch offen, anti-israelisch einschätzt. Mit George G. Szpiro - dem Israel-Korrespondenten - und demjenigen Journalisten, dessen Texte immer mit Umg unterzeichnet sind und dessen Name ich noch nicht herausgefunden habe, ist die 'NZZ' jedoch des Öfteren um eine ausgewogene Darstellung bemüht.

Der Artikel von Diner greift nun aber über das Tagesgeschehen hinaus und zeigt unaufgeregt die Schwierigkeiten der israelisch-palästinensischen Annäherung auf - und zwar wegen beiderseitigen Unzulänglichkeiten.

Was man daraus mitnehmen sollte? Einerseits die folgenden Fremdwörter, die man sich entweder neu aneignen oder wieder in Erinnerung rufen kann:

- Mimikry (meint: Täuschung)
- Katarakten (meint: Stromschnellen)
- Kakofonie (meint: Uneinigkeit, Dissonanz)
- Prärogative (meint: Vorrechte, Vorzüge)
- emblematischen (meint: sinnbildlichen)
- kapriziert (meint: festgelegt, versteift)
- dilatorischen (meint: aufschiebenden, verzögernden)
- depraviert (meint: verdorben, verunstaltet)
- Sakrileg (meint: ein Vergehen an einem Heiligtum)
- Observanz (meint hier: Form, Ausprägung)

Andererseits aber sicherlich auch die Schlüsse, die Diner zieht:

"Mit der Hamas kann Israel im Prinzip keine politische, auf territorialer Unterscheidung zweier Gemeinwesen beruhende Lösung aushandeln. Das wäre mit der Autonomiebehörde von Mahmud Abbas durchaus möglich – wenn nur beide Seiten wollten bzw. könnten. Mit der Hamas wiederum können allein Formen der Waffenruhe und des Waffenstillstandes ausgehandelt werden – auch solche von langer Dauer. Die Konditionen und Regularien eines solchen Abkommens scheinen gegenwärtig blutig ausgehandelt zu werden. Denn ohne Anerkennung bleibt den Protagonisten nur die Sprache der Gewalt. Ihrer Syntax und Grammatik wird man gegenwärtig ansichtig."

Dies sollte all denjenigen Spinnern ein für alle Mal klar werden, die nach wie vor fordern, Israel müsse sich mit der Hamas an einen Verhandlungstisch setzen, um eine "politische" (Zitat: André Marty) Lösung zu finden. Ein Waffenstillstand kann mit den Dschihadisten zwar womöglich ausgehandelt werden - eine langfristige, auf Konzessionen fussende politische Lösung wohl eher weniger. Alles, worüber Israel mit der Hamas über eine Waffenruhe hinaus verhandeln könnte, wäre einzig die Frage, wann Israel von der Landkarte verschwinden soll. Für einmal sind die 'Israel-Kritiker' - ihr wisst schon: diese Wissenschafts-Imitatoren, deren kognitive Prozesse oftmals an Denkattrappen erinnern -, die ansonsten auch bei der 'NZZ' in den Leser-Kommentaren allgegegenwärtig sind und ihre abenteuerlichen Thesen breittreten, verdächtig still und melden sich ausnahmsweise kaum zu Wort. Und das ist auch gut so.

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