Sonntag, 28. Juni 2009

Der Iran - eine islamische Diktatur VI

Eine Tour d'Horizon über die Farce im Iran:

Der Blog 'Free Iran now!', der inzwischen auch bei 'Höllensturz' im Blogroll geführt wird, beschreibt mit "Die postkoloniale Sehnsucht nach dem guten Islam" die billigen Einlassungen von Chomsky, Zizek und anderer Weltfehlinterpretierer zum Iran und zu den Protestierenden.

Clemens Wergin von der 'Welt' analysiert derweil mit 'Ist im Iran die Zeit reif für eine Revolution?' die Bedingungen und die Verlaufsformen von Revolutionen und erörtert, ob im Iran nach all den Geschehnissen der letzten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren, Dezennien die Möglichkeit einer Revolution, die zu einem Regime Change führen würden, bestehen.

Um die Tour d'Horizon abzuschliessen sei noch auf 2 Einschätzungen von amerikanischen Neocons - John Bolton und Charles Krauthammer - hingewiesen:

John Bolton in der 'L.A. Times': "The mullahs must go"

Charles Krauthammer in der 'Washington Post': "Iran: Desperately Seeking Yeltsin"

Samstag, 27. Juni 2009

Der Iran - eine islamische Diktatur V

Ein kluger Kommentar zu den 'Wahlen' im Iran hat Thomas M. Eppinger, der neuerdings auch im Blogroll von 'Höllensturz' geführt wird, mit seinem Text "Jubelperser" geschrieben. Hierzu einige Auszüge:

"Iran hat gewählt und das Ergebnis ist in jedem Fall beängstigend. Entweder hat die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung einen irren Antisemiten und notorischen Holocaustleugner als Präsidenten bestätigt, jenen Mann, für den Israel das grausamste rassistischste Regime der Welt ist, das er am liebsten ausradieren würde. Oder die Mullahs hinter Ahmadinejad sind sich ihrer Macht dermaßen sicher, dass sie vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine Militärdiktatur errichten, die nicht einmal mehr auf minimalen Rückhalt in der Bevölkerung angewiesen zu sein glaubt.

(...) Das Regime ist wirtschaftlich unfähig. Der Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Wie in jeder Kommandowirtschaft blüht die Korruption. Die Arbeitslosenrate wird auf 50% geschätzt. Obwohl Iran über die weltweit drittgrößten Erdölreserven verfügt, muss Benzin importiert werden. Die Inflationsrate ist zweistellig.

(...) Es gibt keine Pressefreiheit. Religiöse Minderheiten wie die Bahai werden systematisch verfolgt, ihre Führer werden verschleppt und ermordet. Politische Gegner werden gefoltert und ermordet, auch im Ausland. Ahmadinejad wird verdächtigt, persönlich an der Ermordung dreier kurdischer Politiker in Wien beteiligt gewesen zu sein. Iran ist der wichtigste Financier der Terrororganisationen Hisbollah und Hamas.

Recht wird wie in Saudi-Arabien auf Grundlage der Scharia gesprochen. Ehebrecher werden gesteinigt, Homosexuelle und unkeusche Mädchen gehängt. Der Abfall vom Islam wird ebenso mit dem Tode bestraft wie Vergewaltigung, Mord, Drogenhandel und Gotteslästerung. Allein in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres wurden mehr als 120 Hinrichtungen vollstreckt, auch an Minderjährigen. Die Hinrichtungsmethoden bieten mehr Abwechslung als das Fernsehprogramm: zur Wahl stehen öffentliche Enthauptung, Steinigung, Erhängen oder Auspeitschen. Nur für minderschwere Delikte muss man sich mit der Amputation von Gliedmaßen, der Prügelstrafe oder dem Ausstechen der Augen begnügen. Frauen dürfen sich nicht unverschleiert in der Öffentlichkeit zeigen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen wurde erst 2002 auf internationalen Druck hin von 9 auf 13 Jahre hinaufgesetzt.

(...) Für uns geht es darum, die Menschen in Iran, die für ihre Rechte kämpfen und manchmal auch sterben, zu unterstützen. Wer die Demonstranten im Stich lässt, macht sich zum Komplizen der Diktatur. Man könnte meinen, dass gerade die Linke in diesem Freiheitskampf an vorderster Front stehen würde. Doch wo sich sonst die Massen zu Demos sammeln und tausend Lichterketten leuchten wenn es gegen Israel oder Amerika geht, herrscht jetzt bleiernes Schweigen."

Sehr zutreffende Worte, wie 'Höllensturz' findet.

Ebenfalls sehr empfehlenswert ist ein Text von 'Spiegel online' über den moralischen Bankrott eines Grossteils der Linken im deutschprachigen Raum in der Causa Iran. Ginge es gegen die USA oder Israel, würden Friedensbewegte von links und ganz links Lichterketten bilden und den grossen sowie den kleinen Satan entrüstet 'kritisieren'. Aber unterdrückt ein klerikalfaschistisches Unrechtsregime wie dasjenige in Iran mutige Protestierende und tötet sie sogar, herrscht beredtes Schweigen.

Derweil warnt Ahmadinejhad den Westen wieder einmal vor einer angeblichen Einmischung in innere Angelegenheiten. Ebenfalls in der 'NZZ' ist kürzlich ein guter Beitrag eines Exil-Iraners, der mittlerweile als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Deutschland wirkt, im Feuilleton erschienen. Er schreibt etwa: "Aus dem «Frühling der Freiheit» wurde der Beginn eines klerokratischen Despotismus , und aus dem Paradies wurde die Hölle der Frommen."

Freitag, 26. Juni 2009

"„Ist die Freiheit westlich?“ Islam, orientalische Despotie und Ehrenmord"

"Der Islam rollt noch einmal die Geschichte moderner Souveränität auf und stellt sie zur Disposition: er bestreitet auf ganzer Linie, daß es mit dem Kapitalverhältnis um die „Ehre“ des Mannes schon geschehen ist; daß die formelle Gleichheit, die dem einzelnen als Eigentümer der Ware Arbeitskraft zukommt, um ihn als Vertragspartner des Kapitals zu setzen, auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander betrifft; daß der dadurch möglich gewordene Ehevertrag, also die vertragliche Verbindung „zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften“ (Kant), dem Mann im Prinzip die Gewalt über die Frau entzogen und dessen Ehre, die diese Gewalt ausdrückt, schon erledigt hat.

Der Islam als antimoderne Bewegung will und kann zwar nicht die Akkumulation des Kapitals im Westen verhindern oder rückgängig machen, doch er will und kann die Souveränität, die ja nur die andere Seite des Kapitals ist, ernstlich bedrohen; er macht zwar für seinen eigenen Machtbereich nicht unbedingt mehr den Arbeitsvertrag ungeschehen, aber den Ehevertrag. Nicht zufällig vermag er allerdings dort die eigentliche Monopolisierung der Gewalt, die jener Ehevertrag voraussetzt, am leichtesten zu hintertreiben, wo es auf die Arbeitskräfte ohnehin nicht mehr ankommt – sei’s in Armutsregionen oder Ölrentenstaaten, im Gazastreifen oder in den Banlieues.

Er gibt denen, die von alters her die Gewalt über die Angehörigen haben, das Recht, sich jederzeit auf Allah und seinen Propheten zu berufen, um sie auf immer zu behalten; gibt ihnen das Gefühl, selber Herr über Leben und Tod zu sein, eben auch dann, wenn sie gar nicht mehr wie in den archaischen Zeiten die Kontrolle über Produktion und Tausch haben. So bringen sie Frauen, Schwestern und Töchter um, wenn die ihre Herrschaft dadurch in Frage stellen, daß sie den eigenen Leib als Privateigentum und nicht als Territorium „orientalischer Despotie“ (Marx) betrachtet wissen wollen.

Der Ehrenmörder des Islam setzt aber nicht einfach die archaischen Traditionen fort, die der Islam sich integriert hat. Denn das Archaische läßt sich darin bestimmen, daß es begrenzt ist, begrenzt durch die Familien- und Stammesstrukturen selber, und auch der Begriff der orientalischen Despotie, der die Konservierung dieser Strukturen einschließt, beinhaltet noch nicht den Anspruch auf Weltherrschaft. Der muslimische Glaube jedoch hat es in jeder Hinsicht auf Entgrenzung abgesehen: Seit es den modernen Souverän des Westens gibt, sucht er ihn vom Boden der orientalischen Despotie aus zu beseitigen. Der Ehrenmörder des Islam unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht vom Selbstmordattentäter: beide wollen unter Beweis stellen, daß es kein Gewaltmonopol gibt. Und ein Unstaat wie der Iran ist eben darum kein Staat, weil er nichts anderes ist als die Kombination aus Ehrenmord und Selbstmordattentat in großem Maßstab und auf geschlossenem, vom Völkerrecht sanktioniertem Territorium – so daß der Ehrenmörder sich hier vor der Tat fallweise die Robe des Souveräns umhängt und der Selbstmordattentäter als jener Mob auftritt, der die Bombe will, die auf Israel zielt.

Dem Anspruch des Islam auf Weltherrschaft entgegenzutreten wäre für westliche Staaten materiell gesehen ein Leichtes, denn an wirkungsvollen Waffen und überlegener Logistik sind sie allen islamischen Staaten und Banden haushoch überlegen. Doch dem Westen scheint verloren gegangen zu sein, was der Islam nie hatte, eine nach objektiven Kriterien bestimmbare Moral. Das, was ins tägliche Leben hinein aufgelöst zu sein scheint, die Privatautonomie über den eigenen Körper, Liebe definiert als exklusive Zweisamkeit, Religion als über die Theologie und den Primat des allgemeinen Gesetzes vermittelte Auseinandersetzung von Glaube und Vernunft, weiß sich nicht mehr zu begründen und steht schon deshalb der Denunziation durch die Propagandisten der Entgrenzung offen. Der Hilflosigkeit so genannter Wertedebatten steht der Mutwillen von Relativisten entgegen, die jeden Wert, jede moralische Setzung vorab diskreditieren. Sie tun es um einer Freiheit willen, die keineswegs gegen die Beschränktheit herkömmlicher Moral gesetzt wird, sondern um der Verkündung einer schrankenlosen Glaubensfreiheit willen, die jeden Einzelnen zum Glaubensführer und Gesetzgeber kraft eigener Willkür aufrichtet. Das allumfassende Toleranzgebot, Ausgeburt der Kritikunfähigkeit des spätbürgerlichen Subjekts, trägt die Ermächtigung weniger duldsamer Kollektive zum Tugendterror schon in sich. Als kehrte die tödliche Inbrunst der britischen Puritaner des 17. Jahrhunderts wieder, die um der Glaubensfreiheit willen, also dem Recht, die heilige Schrift so auszulegen wie es einem gerade passte, die Bevölkerung unter ihre terroristisch durchgesetzte Gewissenerforschung pressten und jede Abweichung in der Tat und im Gedanken auszumerzen bemüht waren, greift heute ein Werterelativismus um sich, der scheinbar alles zulässt, in Wirklichkeit jeden als Feind der Freiheit denunziert, der dem zum Richter und Henker sich aufwerfendem panischen Subjekt noch Einhalt gebieten will.

Die Neuauflage eines Puritanismus, der sich als Vollzugshelfer längst den islamischen Mob ausgeguckt hat, manifestiert sich seit nunmehr drei Jahren im zunehmend hysterisch zelebrierten Kirchenkampf gegen den Bischof von Rom gerade dann, wenn der an die universale Vernunft oder die Humanisierung der Sexualität appelliert. Die Forderung nach Dialog mit den Verächtern der Vernunft entspricht der nach Präservativen für bekennende Vergewaltiger: Der Schutz des Dissidenten in Glaubensfragen und der prospektiven Opfer entmenschlichter Sexualität ist gerade nicht gemeint. Es geht nicht mehr darum, die Frau oder den zur Frau erklärten Homosexuellen der Gewalt durch den sich seiner Ehre bewussten Mann zu entziehen, also an Kant anzuknüpfen, sondern um die Durchsetzung einer Freiheit, die von Unterwerfung sich nicht mehr unterscheidet und die schon deshalb an einer Ehre keinen Anstand nimmt, die sich in der Enteignung des (i.d.R. weiblichen) Körpers manifestiert." (Link)

Referenten : Gerhard Scheit, Wien und Justus Wertmüller, Berlin

Ort : Aula der Volkshochschule
Hamburg Othmarschen
Waitzstr. 31

Zeit : 3. Juli 2009 19:00 Uhr

Donnerstag, 25. Juni 2009

Der Iran - eine islamische Diktatur IV

Heute ab zirka 19 Uhr hat auf dem sozialen Netzwerk 'Facebook' die "1. Schweizer Online-Demo gegen die Unterdrückung des Volkes im IRAN" (Zitat der Juso Schweiz) stattgefunden. Obwohl man bezweifeln mag, dass eine im virtuellen Raum abgehaltene 'Demo' an den unhaltbaren Zuständen im Iran etwas ändern wird, halte ich die Idee grundsätzlich nicht für verkehrt.

Als ich mich dann einmal um 19 Uhr einloggte um die 'Redebeiträge' mitzuverfolgen, war ich zunächst positiv überrascht. Schliesslich ist die Schweizer Juso eher für eine nicht unbedingt fortschrittlich zu nennende Gesellschaftskritik bekannt, die sich etwa in den Themen Manager- und Bonikritik bauchlinks geriert. Ihr Anliegen war bislang eher die negative Aufhebung des Kapitals und leider eher weniger die Kritik an klerikalfaschistischen Staaten. Sollte die Juso plötzlich neokonservative Anliegen, wie etwa die Verbreitung einer demokratischen Ordnung, zumindest für überprüfenswert halten? Es schien zunächst zumindest den Anschein zu haben, wie folgende extra auf 'youtube' veröffentlichte Videos zeigen:



Eine iranische Studentin aus Zürich spricht Worte, die ich allesamt unterschreibe.

Auch dem Präsidenten der Juso, Cédric Wermuth, ist für einmal zuzustimmen:



Ein dritter 'Sprecher' der 'Demo' allerdings relativierte schliesslich das positive Bild, das ich von der von den Jusos organisierten Aktion bis zu diesem Zeitpunkt hatte. Leider liegt der Beitrag nur in schriftlicher Form vor. Ich kann also nicht umhin, seine grenzdebilen Worte 1:1 zu zitieren.

Der Genosse Rainer Thomann schreibt also Folgendes:

"Liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen!

Hunderttausende gehen in Teheran auf die Strasse und trotzen der staatlichen Unterdrückung. Einige bei uns sehen diese Protestbewegung gar als beginnende „Revolution“ im Iran. Offensichtlich ist der Wahlbetrug der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Vorangegangen sind verschiedene Streiks, die gewaltsam niedergeschlagen wurden, so beispielsweise im letzten Jahr der Streik der Zuckerrohrarbeiter, die Streiks in der Automobilindustrie oder bei Siemens ITMC. Nicht vergessen werden darf die blutige Niederschlagung der Feierlichkeiten zum diesjährigen 1. Mai. Die brutale Unterdrückung der Kämpfe der Arbeiterinnen und Arbeiter im Iran, das ist die soziale Grundlage der aktuellen Unruhen.

Ob Wahlfälschung oder nicht, die Wahl zwischen den einzelnen Präsidentschaftskandidaten war ohnehin nur eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Es wäre deshalb sinnlos, eine Nachzählung oder Neuwahlen zu verlangen. Und auf keinen Fall dürfen wir den Fehler machen, für den Iran eine sog. „Demokratie nach westlichem Muster“ zu fordern! Eine solche Forderung würde nur Illusionen schüren und die Wut der Menschen im Iran in eine falsche Richtung lenken. Denn wer könnte ernsthaft unsere sog. „Demokratie“ als Vorbild anpreisen? Mit den Politikern, die lügen wie gedruckt. Mit Parteien, die vom Grosskapital abhängig sind. Mit 150'000 Franken hat die Grossbank UBS erst kürzlich vor einer entscheidenden Abstimmung im Parlament die Stimmen der CVP gekauft, um nur ein Beispiel zu nennen!

Auch in der Schweiz wird die Meinungsäusserungs- und Demonstrationsfreiheit immer weiter eingeschränkt und von behördlichen Bewilligungen abhängig gemacht. Jugendliche werden ausgegrenzt und mit Rayon- und Ausgehverboten belegt. Und ganz zu schweigen von den über hunderttausend Menschen, die in unserem Land diskriminiert und schikaniert werden, nur weil sie keine gültigen Papiere auf sich tragen!

Es ist nichts als Heuchelei, sich über Menschenrechtsverletzungen im Iran zu empören und gleichzeitig zu schweigen über die Menschenrechtsverletzungen, welche die offizielle Schweiz an den Flüchtlingen begeht, auch an solchen aus dem Iran oder dem Irak! Menschen, die nichts getan haben, ausser dass sie aus ihrem Heimatland geflohen sind. Menschen, die als „illegal“ gelten und ohne irgendwelche Rechte in unserem Land leben und arbeiten! All die vielen Schweizer Touristen, die bald wieder vom Flughafen Zürich-Kloten aus in die Sommerferien fliegen, sind ahnungslos und wissen nicht, dass wenige hundert Meter nebenan in einem sog. „Ausschaffungsgefängnis“ Unschuldige eingesperrt und gefoltert werden! All das sind gute Gründe, um den iranischen Arbeiterinnen und Arbeitern die sog. „westliche Demokratie“ nicht als Lösung vorzuschlagen. Denn so etwas wäre entweder zynisch oder naiv!

Nicht nur im Iran, auch in den sog. „westlichen Demokratien“ begegnen Arbeiterinnen und Arbeiter immer häufiger dem Schlagstock der Ordnungskräfte, wenn sie sich für ihre Rechte wehren. FIAT in Pomigliano bei Napoli und INNSE in Mailand sind nur zwei jüngere Beispiele aus unserem südlichen Nachbarland.

In Spanien ist die Polizeigewalt zur Zeit die einzige Antwort der Herrschenden auf Arbeiterprotest und Widerstand. Die Strassenschlachten anfangs Juni in Vigo im Nordwesten Spaniens als Folge der brutalen Polizeiangriffe sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn sie bei uns von den Medien totgeschwiegen worden sind.

In Frankreich hat sich die Polizei bei Arbeiterkämpfen bisher wohlweislich zurück gehalten, um nicht Öl ins Feuer zu giessen und einen Flächenbrand auszulösen. In Ländern wie Deutschland oder der Schweiz ist die Einschüchterung am Arbeitsplatz und die Angst vor Entlassung und Arbeitslosigkeit zur Zeit noch grösser als die Wut auf die Herrschenden und deren schamlose Profitgier.

Es ist unsere Aufgabe, dieser Wut ein Ziel und eine organisierte Form zu geben, damit die Angst des Einzelnen überwunden werden kann. Denn auf die Globalisierung der Konzerne kann es nur eine Antwort geben: die Globalisierung der Arbeiterkämpfe. Das ist die beste und wirksamste Solidarität, die wir den Menschen im Iran bieten können. Verbinden wir in allen Ländern den Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung! Friede den Hütten, Krieg den Palästen! Es leben die, die kämpfen!"

Eine einzige Teilnehmerin widersprach dem Sermon:

"ich finds ehrlich gesagt etwas komisch zu sagen, wir sollten den menschen im iran auf grund unserer probleme keine demokratie empfehlen. was wir hier haben sind doch nur wohlstandsprobleme im vergleich mit den zuständen im iran!"

Die Organisatorin der 'Demo', die Juso Schweiz, beendete die 'Kundgebung' aber dennoch mit einem durchaus okayen Schlusswort:

"Gut, Vielen Dank für euer Zahlreiches erscheinen! Ich glaube die erste Schweizer Online-Demo war ein Erfolg! Wir haben mittlerweile über 600 Menschen erreicht, auch dank euch allen. Wir wünschen euch nun einen schönen Abend, selbstverständlich dürft ihr noch etwas hier bleiben und weiterdiskutieren. Freheit für das Iranische Volk, Demokratie im Iran, Demokratie überall auf der Erde!"

Es bleibt zu hoffen, dass der Genosse Rainer Thomann, der auf seinem Profilbild schon etwas älter aussieht und kaum mehr als ein Jungsozialist durchgeht, ein Auslaufmodell der Sozialdemokraten bzw. der Sozialisten ist und dass die Juso - und mit ihr die Mutterpartei SP - inzwischen den weltweiten Kampf für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Der Iran - eine islamische Diktatur III

Die 'Welt' mit drei lesenswerten Texten zur Situation im Iran:

"Zukunftsvision - Was, wenn im Iran die Demokratie siegt?" (Link)

"Aufstand der Frauen" (Link)

"Teheran und Tempelhof" (Link)

'Lizas Welt' bringt mit "Kampf dem Kapital!" das Geschäftsgebahren deutscher Unternehmen mit dem Iran zur Sprache und thematisiert gleichzeitig die Abwesenheit von linker Kritik an dieser Praxis (die auch von Schweizer Unternehmen betrieben wird).

Samstag, 20. Juni 2009

Der Iran - eine islamische Diktatur II

Richard Wagner schreibt auf der 'Achse des Guten' sehr wahre Worte über das politische System im Iran und über die verkürzte westliche Kategorisierung von Exponenten des Systems als 'Ultra-Konservative' (Ahmadinedschad) oder als 'Reformer' (Mussawi). Diese Verortungen verkennen die realpolitische Beschaffung des Systems, ein System, das alle Bedingungen eines Unrechtsstaates erfüllt. Wie Adorno in der 'Minima Moralia' einst geschrieben hat: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Wagner nun formuliert es mit Blick auf den Iran und auf die jüngsten Ereignisse ähnlich. Er schreibt: "Ahmadinedschad ist in den letzten Jahren international zur überragenden Hassfigur geworden. Er ist aber keineswegs der Architekt des tatsächlich Bösen, auch er ist wahrscheinlich nicht mehr als ein Sprecher des größeren Ganzen, einer Theokratie, die die Normen des gesellschaftlichen Lebens durch die Rhetorik der Mullahs bestimmt und mit der Gewalt der Revolutionswächter absichert. (...) Das Problem ist das iranische Staatssystem an sich, das Amtsträger wie Ahmadinedschad erst möglich macht."

'Lizas Welt' kommentiert die 'Wahlen' im Iran ebenfalls kritisch.

Freitag, 19. Juni 2009

Der Iran - eine islamische Diktatur

Man exponiert sich wahrlich nicht sehr stark, wenn man die 'Wahlen' im Iran, die dieser Tage stattfanden, als Farce bezeichnet:

Von den 476 ursprünglichen Kandidaten, die sich für das Präsidialamt im Gottesstaat zur Verfügung stellten, hat das Regime schliesslich 4 Kandidaten nach einer Überprüfung ihrer Systemtreue zur 'Wahl' übrig gelassen. Von einer echten demokratischen Auswahl kann also nicht die Rede sein. Dass dabei gleichzeitig echte 'Reformer', die auf die Einhaltung von universalen Werten wie etwa Meinungsäusserungsfreiheit, unveräusserlichen Menschenrechten oder Mitbestimmung pochen, nicht zu den 'Wahlen' zugelassen werden, ist wenig überraschend, da genau jene Positionen, die eine Demokratisierung und Liberalisierung des Irans mit sich bringen könnten, im scharfen Kontrast zur herrschenden islamischen Ideologie stehen. So hat der geistliche Füher des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, in seiner heutigen Rede in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass ebenfalls der von vielen, auch im Westen, als 'Reformer' bezeichnete Mir Hossein Mussawi ein systemtreuer Kandidat sei. In der 'NZZ' heisst es diesbezüglich: "Die Kampagnen und Demonstrationen, die in den letzten Tagen das Bild Irans dominierten, hätten zwar eine gewisse Legitimierung, führte der Ayatollah aus. Doch daraus abzuleiten, dass der Oppositionsführer im Bruch mit dem islamischen System im Land stehe, sei falsch, so Khamenei. Jeder Präsidentschaftskandidat sei vom Establishment geprüft worden und für systemtreu befunden worden. Deshalb könne man nicht von Untreue sprechen. Es sei auch kein Kampf der Kulturen, versuchte der Ayatollah zu bekräftigen. (Link)

Dass die 'Wahlen' im Verdacht stehen, manipuliert worden zu sein, Protestierende niedergeknüppelt oder gar getötet werden und die Presse massiv eingeschränkt wird, rundet das Bild von einer "religiösen Demokratie" (Zitat von Ajatollah Ali Chamenei) ab. Eine 'Demokratie', die mit dem Attribut "religiös" legitimiert wird, kann kaum als solche bezeichnet werden. Man nennt eine religiös vermittelte Herrschaftsform eher eine Theokratie. Eine Liberalisierung und Demokratisierung des Systems ist vor diesem Hintergrund kaum zu erwarten.

Der sich formierenden Protestbewegung von mutigen Iranern und Iranerinnen gebührt gleichwohl Solidarität, damit das momentan herrschende System - eine islamische Diktatur - von den Iranern und Iranerinnen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft hinweggefegt wird. Clemens Wergin von der 'Welt' betont in einem lesenswerten Kommentar - "Wir sollten Irans Regimegegner unterstützen" - die Notwendigkeit der Unterstützung der Protestierenden. Die auffallende Zurückhaltung und Milde, die Barack Obama gegenüber den Machthabern in Teheran walten lässt, irritiert dabei sehr. Sollte etwa eine Annäherung der USA an den Iran auf Kosten derjenigen gehen, die sich für Werte einsetzen, die zuvörderst von den USA hochgehalten werden? Joachim Steinhöfel kritisiert die lasche Iran-Politik Obamas und sein Zögern in einem sehr guten Text. Auch Charles Krauthammer äusserst sich mit "Hope and Change -- but Not for Iran" kritisch über das lavierende Appeasement Obamas.

Derweil stellen die Auslassungen des obersten geistlichen Führers gegen "arrogante westliche Mächte" oder gegen "Medien in der Hand von Zionisten, teuflische Medien" einen weiteren reflexhaften Versuch des Regimes dar, für die gespaltene iranische Gesellschaft den Westen und namentlich die "Zionisten" verantwortlich zu machen. Dies geschieht wohl in der Hoffnung, die gespaltene iranische Gesellschaft wieder in die Gesinnungsdiktatur, in den Umma-Sozialismus, in die djihadistische Mordbrennerei heimzuholen. Es bleibt indes zu hoffen, dass die islamische Diktatur von den Iranern und den Iranerinnen zum Teufel gejagt wird und ein Regime Change stattfindet.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Capitalism vs. Socialism of the 21st century

"Venezuela verbietet Coca-Cola Zero - Regierung sorgt sich um Gesundheit der Bevölkerung" (Link) - Man beachte bei diesem Artikel auch die amüsanten Leserkommentare..

Der folgende Artikel bettet den Kampf des rot-braunen Populisten Chávez gegen den Kapitalismus bzw. gegen den Imperialismus in einen grösseren Zusammenhang ein:

"Hugo Chávez gegen das «Imperium» - Coca-Cola Zero als Gefahr für den Sozialismus" (Link)

Die Position dieses Blogs in diesem Kultur-, Wirtschafts- und Politkampf ist wenig überraschend die folgende:



Mittwoch, 10. Juni 2009

Wirtschaftsethik - eine sinnvolle wissenschaftliche Disziplin?

In der teils hitzig geführten Debatte, ob die Schweiz eine 'Steueroase' sei oder nicht, hat sich auch ein gewisser Ulrich Thielemann, seineszeichen ein deutscher Wirtschaftsethiker an der Universität St. Gallen, zu Wort geäussert. Unter anderem vertrat er an einer öffentlichen Anhörung des deutschen Bundestages zur Bekämpfung der angeblichen Steuerhinterziehung eine kontroverse Position in Bezug auf die schweizerische Steuergesetzgebung. In der Folge wurde er wegen seinen Äusserungen kritisiert. Es hing gar das Damoklesschwert einer möglichen Entlassung über seinem Haupt.

In diesen bewegten Zeiten, in denen in den Leserbriefspalten der Zeitungen und in Diskussionsrunden der Politiker bisweilen ein Wirtschaftskrieg der Hochsteuerkartelle gegenüber steuerattraktiven Staaten und Jurisdiktionen vermutet wurde und wird, verlor auch das Institut für Wirtschaftsethik und mit ihm ebenfalls die Universität St.Gallen (HSG) an Glaubwürdigkeit. Harte Kritiker des Instituts für Wirtschaftsethik stellten gar die Daseinsberechtigung dieser Lehrstätte in Frage, da Moral keine Wissenschaft sei.

Nachfolgend einige Leserbriefe aus der 'Neuen Zürcher Zeitung' zum Thema, um die Stimmung einzufangen:

"Wissenschaftsfreiheit und Klugheit
Zu X Leserbrief über die Auseinandersetzungen um Ulrich Thielemann (NZZ 19. 5. 09) ist festzuhalten, dass die Meinungsäusserungsfreiheit in einem liberalen Staat den gleichen Stellenwert hat wie viele andere Freiheiten, zum Beispiel das Bankkundengeheimnis. Wer freiheitlich denkt, wägt die eine Freiheit nicht gegen die andere auf.

Hingegen kann man nicht tolerieren, dass in einem Wirtschaftskrieg, wie er gegenwärtig herrscht, ein Wissenschafter in der Machtzentrale des politischen Feindes sein Gastland verunglimpft und mit seinen Äusserungen schädigt. Der Kluge würde eine solche Einladung nicht annehmen, sondern seine Meinung eher im Rahmen eines akademischen Kolloquiums zum Besten geben. Hier geht es nicht um Meinungsfreiheit, denn diese hat der Wissenschafter überall, ausser in diesem spezifischen Zeitfenster in den höchsten politischen Gremien des feindlich gesinnten Landes."

"Der Ethik einen Platz
Der Autor C. W. meint, dass Ulrich Thielemann die Freiheit, die er als Wissenschafter benötigt, mit seinen Äusserungen bei einem Bundestags-Hearing nicht missbraucht habe. Ich habe Herrn Thielemann am 31. März im «Talk täglich» von Tele Züri gesehen. Dort benahm er sich nicht wie ein Wissenschafter, sondern wie ein sich ereifernder Prediger, wie man sie aus Amerika kennt, und auf Gegenargumente ging er schon gar nicht ein. Wenn Herr Thielemann ein Wissenschafter wäre, hätte ihm das heutige aufgeheizte Klima Zurückhaltung in seinen Äusserungen nahelegen müssen. Insofern hat er keine Freiheit. Für den Kavalleristen und Indianerjäger Steinbrück ist Herr Thielemann natürlich ein Glücksfall, da er sozusagen als «Maulwurf in Feindesland» agiert.

Weiter stimmt der Vergleich mit dem Professor und Banken-Kritiker Jean Ziegler nicht. Dieser profilierte sich in wirtschaftlich guten Zeiten und wurde wegen verschiedener «Irrtümer» ohnehin nicht ernst genommen. Ein Herr Thielemann scheint mir in der gegenwärtigen Situation um ein Vielfaches problematischer zu sein."

Es gab neben den 2 besorgten Leserbriefen aber auch Stimmen, die den Wissenschafter in Schutz nahmen - namentlich und wenig überraschend aus sozialdemokratischen Kreisen:

"Nach einem Referat zur Bankenkrise fragte mich kürzlich ein älterer Herr aus dem Publikum, wo denn eigentlich in der Schweiz die Ethik noch bleibe. Ich antwortete, dass Ethik in Politik, Medien und Wirtschaft leider verdrängt werde. Mit Freude verwies ich jedoch auf die interessanten Publikationen des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen (HSG) und auf die wichtigen Arbeiten der Ethiker in den beiden Landeskirchen.

Kurz darauf ging das unglaubliche Kesseltreiben gegen Ulrich Thielemann los. Ausgerechnet aus den neoliberalen Kreisen, welche die volle Verantwortung für den heutigen globalen GAU mitzutragen haben. 2003 veröffentlichten Ulrich Thielemann und Professor Peter Ulrich den hervorragenden «Brennpunkt Bankenethik». Hätten unsere Grossbankiers die Erkenntnisse dieser Publikation ernst genommen, so hätten sie nicht beim Staat um Steuermilliarden in noch nicht absehbarem Ausmass betteln müssen.

Darum: Die Schweiz braucht mehr Ethik, insbesondere der Finanzplatz Schweiz. Wehren wir den Anfängen!
Margret Kiener Nellen (Bern)
Nationalrätin, SP"

Als Konklusion eignet sich ein Leserbrief, der die Thematik aus einer grundsätzlichen Perspektive beleuchtet:

"Ethik und Moral
Die Äusserungen des Ethikers Thielemann haben einige Leser der NZZ (16. 4. 09) irritiert. Früher wurden klare Kategorien unterschieden: «Ethik» war Moralphilosophie, Nachdenken über Moral; «Moral» hingegen bezeichnete ein Set geltender Werte und Regeln. Nun lassen einige Vertreter der Ethikzunft die beiden Begriffe zusammenfallen und schaffen damit just ab, wofür der Steuerzahler sie bezahlt: das Nachdenken über Moral.

Ein Leser macht Ulrich Thielemann als Eiferer aus. Und ich habe mich gefragt, ob wir es bei einer Ethik, die Moralphilosophie und Moral nicht mehr auseinanderhält, überhaupt noch mit Wissenschaft zu tun haben. Massen sich nun sogenannte Ethiker in absolutistischer Manier an, die einzig richtige Moral zu haben? Leider wird auch im Sozial- und Rechtsbereich betont, dass, was man tut, nichts mit Moral zu tun habe. Auch hier dient das Schlagwort «Ethik» dazu, professionelle Positions- und Erwerbsinteressen durchzusetzen.

Was, wenn wir zur Unterscheidung von Ethik und Moral zurückkehrten? In der Disziplin «Moralphilosophie» könnte wieder über Moral auf beiden Ebenen nachgedacht werden: Auf der Ebene der Gesellschaften wären die spezifischen Moralitäten zu reflektieren, wie sie sich in der Weltwirtschaft aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse und Ressourcen konkretisieren; auf der Ebene der Individuen wäre über die Unterschiede in der personalen Moral nachzudenken, die sich kontextspezifisch ausbilden.
Ein Urteil über Moralität hätte dann die Ressourcen in Rechnung zu stellen, über die eine Gesellschaft verfügt, um das hochzuhalten, was in den global so unterschiedlichen Kontexten jeweils als das Gute gilt. Das Moralisieren hingegen liesse diese Komplikationen in der Aussenwelt unberücksichtigt, weil es nur den Schwarzweisskategorien der eigenen Innenwelt genügen will. Und die Ethik könnte die Frage stellen: Was heisst es für unsere Gesellschaft, wenn sie sich ihre Moralität zunehmend von professionellen und kapitalisierbaren Interessen bestimmen und usurpieren lässt? Werden wir Menschen damit als Privatpersonen aus der Moral entlassen? Das gäbe zwar mehr Arbeit für jene, die sich mit Moralisieren ihr Geld verdienen, dürfte aber immer weniger zum gelingenden Zusammenleben beitragen."

Diese Fragen scheinen mir zuvörderst diskutabel zu sein. Thielemanns Äusserungen jedenfalls erscheinen vor diesem Hintergrund problematisch. Auch sind bei ihm oftmals die Grenzen zwischen Wissenschaft und Wissenschaftsimitation fliessend. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seine Wissenschaft manchmal sogar mit Ideologie durchsetzt ist. Eine solche Ethik bzw. Moral aber muss sich den Vorwurf gefallen lassen, interessengeleitet zu sein.

Ins eher negative Bild, dass das Institut für Wirtschaftsethik ferner in gewissen Teilen der Öffentlichkeit abgab, fügte sich ein, dass Thielemann ein potentieller Nachfolger vom Lehrstuhlinhaber, Prof. Dr. Peter Ulrich, ist, der erst kürzlich seine Abschiedsvorlesung gehalten hat und also in den Ruhestand treten wird. Für die ausgeschriebene Professur will sich pikanterweise auch Christoph Blocher bewerben.

Entgegen der Linie des Instituts, das vorwiegend über Markt und Moral nachdenkt, möchte Blocher, seineszeichen ein Anhänger von Friedrich August von Hayek (dem dieses Blog wohl gewogen ist), eher die wohlfahrtsfördernden Merkmale des Marktes herauskehren. Er möchte lehren, "wie man ethisch führt." Oder ebenfalls "was die ethische Bedeutung der Gewinnerzielung und des Shareholder-Value" sei.

Nun wäre mir ein Wirtschaftsethiker Blocher, der in Fragen der politischen Ökonomie, bis auf einige Gebiete (z.B. Landwirtschaft), mehrheitlich eine urliberale Haltung vertritt, tatsächlich lieber als ein Wirtschaftsethiker Thielemann, der sich gemäss einem sehr lesenswerten Editorial von Roger Köppel in der 'Weltwoche' mit seiner Arbeit eher dazu eignen würde, sich für einen "krisenfesten Kommandoposten in der staatlich gelenkten Wirtschaft" zu empfehlen.

Um die Frage zu diskutieren, ob die Wirtschaftsethik, wie sie etwa von Ulrich Thielemann verstanden wird, eine sinnvolle wissenschaftliche Disziplin sei oder nicht, soll, bevor ein der Wirtschaftsethik wohl gewogener und zugleich auch sehr interessanter Beitrag im Fokus steht, auf eine kritische Einschätzung Köppels aus ebenjenem Editorial hingewiesen werden. Er schreibt darin etwa:

"(...) Abgesehen davon liegt der Ethiker in der Sache falsch. Dass es den Eidgenossen in Steuerfragen an Unrechtsbewusstsein mangle, hat damit zu tun, dass erstens Steuerhinterziehung nach Schweizer Recht kein Unrecht darstellt und dass sich die Schweiz zweitens bisher an alle von der EU gewünschten Steuerabkommen gehalten hat. Es mag also durchaus sein, dass es den Schweizern weniger an Unrechtsbewusstsein fehlt als dem Wirtschaftsethiker an einem Gespür für die Rechtsordnung, in der er sich bewegt.

(...) Die Wirtschaftsethik ist ein junges, hochpolitisches Fach, mit dem sich vor allem an deutschsprachigen Universitäten die als «neoliberal» verschrienen Ökonomen ein linkes Feigenblatt zulegten. Um Opposition abzubremsen, begann man systemkritische Wirtschaftsfakultäten einzurichten, die seit Mitte der achtziger Jahre «Gier» und «Unmoral» der Manager beklagen. Als typischer Vertreter seiner Zunft fühlt sich auch Thielemann von der Ahnung bewegt, «dass da irgendetwas falsch ist mit dem Markt». Er habe eine «ethisch begründungsfähige Sicht (statt eine ideologisch verkürzte oder beschönigende) auf das Wirtschaften» werfen wollen. Seinen Homepage-Eintragungen lässt sich entnehmen, dass sich die Wirtschaftsführer von fragwürdigen Motivationen leiten lassen und «ethisch verantwortungsvolle Unternehmen» im Wettbewerb «die Dummen» sind, als ob es nicht genügend Beispiele gäbe von Enron bis Bernie Madoff, dass sich unehrliches Geschäften am Ende gerade nicht lohnt."

Diese berechtigen Einwände bedenkend, fand letzten Sonntag ein interessantes Gespräch zwischen dem linksliberalen Publizisten Roger de Weck und Peter Ulrich in der 'Sternstunde Philosophie' - der besten Sendung des gebührenfinanzierten Schweizer Fernsehens - statt. Sie unterhielten sich über Werte und Moral in der Ökonomie.

Nachfolgend das Gespräch, das einige interessante und durchaus auch zustimmungspflichtige Voten beinhaltet:



Allerdings mag man als Anhänger eines liberalen Wirtschaftssystems die kärgliche Bezugnahme im Gespräch auf Adam Smith und seine Moralphilosophie bedauern. Köppel schreibt in seinem Editorial nicht zu Unrecht:

"Die Wirtschaftsethik ist allerdings ein schlechter Ratgeber. Sie geht von einem Missverständnis aus. Die grossen Vordenker der Marktwirtschaft dachten in «Ordnungen». Sie gingen der Frage nach, wie erfolgreiche Gesellschaften organisiert sind und warum Staaten, die eine freie Preisbildung, Rechtssicherheit und privates Eigentum zulassen, ein höheres Wohlstandsniveau erreichen als Gesellschaften, die ihr Wirtschaftsleben staatlicher Planung und Kontrolle unterwerfen. Die alten Schotten wie Adam Smith oder David Hume nannten sich «Moralphilosophen», weil sie sich nicht kleinkariert bei moralischen Verfehlungen im wirtschaftlichen Alltag aufhielten, sondern das übergeordnete Problem behandelten, wie erfolgreiche Lebenszusammenhänge beschaffen sein müssen.

Für sie gab es die Entgegensetzungen der Wirtschaftsethiker nicht. Die Marktwirtschaft war für sie ein ethisches System, das seinen Teilnehmern bestimmte Fähigkeiten, Regeln und Orientierungen sowohl abverlangt wie auch aufzwingt. Marktgesellschaften sind kein Dschungel ohne Moral. Im Gegenteil: In ihnen verwirklichen sich entscheidende Forderungen des westlichen Wertekatalogs: Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, aber auch Empathie, die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und ihren Bedürfnissen zu entsprechen. Indem jeder seine eigenen Interessen verfolgt, wird das Gesamtwohl befördert, ohne dass es eine koordinierende Behörde braucht. Absturzgefahr lässt sich als Berufsrisiko einer freien Lebensführung nie vollständig bannen. Die Marktgesellschaft ist nicht, wie Thielemann und Kollegen immer behaupten, ein Instrument zur Entfesselung des gierigen Ego. Der Markt ist eine moralische Anstalt, in der sich der Eigennutz zur wechselseitigen Dienstleistung zivilisiert.

Natürlich geisselten auch Smith und Hume blinde Geldgier und unehrliche Geschäfte, aber sie waren Realisten genug, um solche Entgleisungen als ewige Möglichkeiten der Conditio humana zu ertragen. Wer sie politisch beseitigen möchte, ruft nur noch grösseres Unheil hervor. Die einzige «Ethik», die Smith und Hume wohl anerkannt hätten, wäre die Selbstbeschränkung der Politik auf ein paar klar umgrenzte Zuständigkeiten gewesen, auf eine Rolle, die das freie Kräftespiel nicht behindert. Die thielemannsche «Ethisierung der Wirtschaft» durch die Politik hätten sie als das empfunden, was sie ist: eine gegen die Freiheit gerichtete Aufrüstung des Staates, die mehr Wohlstand vernichtet, als sie zu schaffen vorgibt."

Summa summarum: Entgegen der Auffassung einiger, dass der Wirtschaftsethik kein Platz im wissenschaftlichen Betrieb einzuräumen sei, bin ich der Ansicht, dass sie durchaus ihren akademischen Daseinszweck hat. Sie sollte sich allerdings auf das Wesentliche beschränken, wie dies etwa im Leserbrief "Ethik und Moral" skizziert worden ist: das Nachdenken über Moral (Ethik) und nicht das Nachdenken über geltende Werte und Regeln (Moral). In diesem Lichte betrachtet und unter dem Eindruck der kritischen Einschätzungen Köppels sollte sich eine Wirtschaftsethik, wie dies Peter Ulrich im Gespräch mit de Weck sehr wohl macht (wenn er etwa die bürgerliche Gesellschaft analysiert oder vom "Geburtsfehler" der sozialen Marktwirtschaft spricht: "Dieser Geburtsfehler besteht darin, dass der Sozialstaat ex post - im Nachinein - die Symptome, die durch das markwirtschaftliche Kräftespiel verursacht sind, bloss lindert, kompensiert, korrigiert - der Reparaturbetrieb. An den Ursachen hat man nichts geändert."), mehr mit den Grundsatzfragen der Ökonomie befassen als mit den moralinsauren Ausdünstungen rudimentär-ökonomischer Betätigungsfelder, wie dies bei Thielemann manchmal der Fall zu sein scheint.

Freitag, 5. Juni 2009

Obama in Kairo

Die unglaublich naive 'Grundsatzrede' Barack Obamas an die muslimische Welt wird in den Medien abgefeiert, als ob Obama die Region gerade befriedet (schliesslich gibt es neben dem "Israel-Palästina-Konflikt" noch einige andere Brandherde in der muslimischen Welt (Darfur etwa, oder Pakistan, Somalia etc.)), die islamistischen Terroristen gerade bekehrt und die Gleichheit der Frauen in den islamfaschistischen Schariastaaten gerade eingeführt hätte.

Zum Glück gibt es meinen neuen Lieblingsblogger Joachim Nikolaus Steinhöfel, der sich der zwar nett klingenden, inhaltlich aber problematischen, weil kulturrelativistischen, Rede Obamas kritisch angenommen hat (es gab freilich auch einige Passagen, die durchaus Unterstützung verdienen).

In den Medien und auf der arabischen Strasse ist nun die Rede davon, dass Obamas Worte allein nicht ausreichen würden, dass jetzt Taten folgen müssten. Doch was für Taten sind da wohl gemeint? Applaus brandete an der Universität von Kairo auf, wenn Obama von Israel Entgegenkommen forderte (oder wenn er, um sich bei der offenbar nicht sehr säkularen, sondern im Islam verankerten Zuhörerschaft beliebt zu machen, aus dem "Holy Koran" zitierte) - forderte er ein Entgegenkommen aber von den Palästinensern, hielt sich die Begeisterung im Publikum doch arg in Grenzen. Solche Taten, die von Israel alles und von den Palästinensern nichts verlangen würden, können jedenfalls kein gangbarer Weg sein.

Zudem sei noch einmal in Erinnerung gerufen, dass bereits mehrfach die Gelegenheit für die Palästinenser bestanden hätte, ihren eigenen souveränen Staat zu erhalten. Zuletzt im Jahr 2000. Diese Gelegenheit wurde aber, wie alle anderen zuvor, von den Palästinensern verpasst. Es folgten die als 2. Intifada bezeichneten Selbstmordattentate gegen israelische Zivilisten und mit ihnen auch der schwindende Glaube einiger Israeli an den Friedenswillen einiger Palästinenser.

So sehr ich auch ein Anhänger einer 2-Staaten-Lösung bin, die auch von Israel Kompromisse abverlangen würde, so sehr scheint eben genau jene Lösung nicht wirklich im Sinne der Palästinenser zu sein, obwohl doch die ganze Welt sie stets als einzigen gangbaren Weg skizziert. An dieser Stelle sei in diesem Zusammenhang auf zwei lesenswerte Text hingewiesen, auf einen Artikel aus dem 'Boston Globe' und auf einen vom Top-Blog 'Spirit of Entebbe'.

Im ersten Text heisst es z.B.:

"International consensus or no, the two-state solution is a chimera. Peace will not be achieved by granting sovereignty to the Palestinians, because Palestinian sovereignty has never been the Arabs' goal. Time and time again, a two-state solution has been proposed. Time and time again, the Arabs have turned it down.

(...)

At Camp David in 2000, Ehud Barak offered the Palestinians virtually everything they claimed to be seeking - a sovereign state with its capital in East Jerusalem, 97 percent of the West Bank and Gaza Strip, tens of billions of dollars in "compensation" for the plight of Palestinian refugees. Yasser Arafat refused the offer, and launched the bloodiest wave of terrorism in Israel's history."

Jetzt, wo Demokratie, Freiheit und Menschenrechte vom Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt - und als solcher ist er quasi der Hüter der unveräusserlichen Minimalstandards des freien Zusammenlebens der Menschen ohne Unterdrückung und Zwänge weltweit - von den arabischen und muslimischen Despoten nicht mehr verlangt wird - wie etwa noch unter dem die Freiheit der Menschen notfalls auch mit Waffengewalt erkämpfenden Neocon Bush -, kann der Islam und seine vielfach doch arg rückständige Ideologie ungestört vor sich hin wuchern, ohne dass ihm jemand mit unbequemen und störenden Forderungen wie 'Demokratie', 'Menschenrechte' oder auch 'Gleichheit' ins Werk pfuschen will.

Zum Schluss mache ich auf eine Einschätzung des Neocon Charles Krauthammer zur Rede Obamas in Kairo aufmerksam, auf die ich via den oben verlinkten Beitrag von Joachim Nikolaus Steinhöfel aufmerksam wurde:

Mittwoch, 3. Juni 2009

Köstlich - Michael Moores 'Visionen'

Michal Moore scheint Überkapazitäten zu haben: So arbeitet er nicht nur an einem neuen und sicherlich tollen und wichtigen Film zur Wirtschaftskrise, sondern er denkt auch, ganz der Visionär, über die Rettung der amerikanischen Industrie- und Autoikone General Motors nach. Statt dass Präsident Obama dieser Tage auf "Entschuldigungs- und Selbstbezichtigungstour in den Nahen Osten" gehen und "in Kairo eine Rede an die Islamische Welt, in Fortsetzung der stümperhaften Neujahrsansprache an den Iran" (Joachim Nikolaus Steinhöfel) halten würde, setzte er sich besser umgehend mit diesen 'visionären' und politisch sicherlich machbaren und finanzierbaren Ideen Moores auseinander..

Das Gruselkabinett im 'Club'

SF DRS, das gebührenfinanzierte Staatsfernsehen, strahlt jeweils dienstags um 22.20 Uhr eine Diskussionsrunde mit dem Namen 'Club' aus. Die Sendung thematisiert jeweils Fragen, die andernorts schon längst abgefrühstückt worden sind. Roger Köppel schrieb in seinem Editorial vor kurzem über den 'Tages-Anzeiger' einmal Folgendes:

"Interessant war die erschreckte Reaktion des Zürcher Tages-Anzeigers, noch immer ein verlässlicher Seismograf, wenn es um die freudlose Früherkennung gleichheitswidriger Postulate geht."

Dem 'Club' kann man diese Früherkennungsfähigkeiten nun wirklich nicht attestieren. In Sachen Kritik an "gleichheitswidrigen Postulaten" allerdings ist er beinahe der verlängerte televisionäre Arm des 'Tagis'.

So stand gestern also das Thema "Die Krise, gierige Banker, verlorene Werte" auf der Agenda - sicherlich weiterhin ein brisantes Thema und über welches noch zu sprechen sein wird, das aber dennoch bereits millionenfach - und meist sehr vereinfachend - überall durchdiskutiert worden ist. Leutschenbach wird sich aber gedacht haben, dass die geladene Runde - u.a. elder statesmen, eine ehemalige Verwaltungsrätin der CS und mit Walter Wittmann, der im Ruhestand offenbar zunehmend die Öffentlichkeit sucht, gar ein emeritierter Professor - für gute Einschaltquoten sorgen würde. Schliesslich repräsentieren die geladenen Gäste ja nicht die 'gierige' Klasse der heutigen Banker, die 'uns' in den Schlamassel gerissen haben, sondern diejenige der oft als verantwortungsbewusst bezeichneten Citoyens, Patrons und Bankiers. Die Gäste konnten sich ihres moralischen Kredits beim Fernsehpublikum wohl sicher sein.

Für seine Verhältnisse fasst der 'Tages-Anzeiger' die mehrheitlich populistischen und eher verklärenden Wortbeiträge des Gruselkabinetts erstaunlich satirisch zusammen.

Dienstag, 2. Juni 2009

Wasser predigen und Wein trinken

Ausgerechnet die profillose CVP, die sich in der Krise auch schon als 'kapitalismuskritische' und also auch bankenkritische Volkspartei gerierte, indem sie etwa eine Abkehr vom "Neoliberalismus" forderte, besteht als einzige der (3 bürgerlichen) Bundesratsparteien auf den zugesicherten Parteispenden von der UBS. Diese Heuchelei - die vordergründige Kapitalismuskritik für Arme und die hintergründige Aufrechterhaltung alter informeller Netzwerke - macht die Partei, die darüber hinaus nach wie vor nicht so recht zu wissen scheint, ob sie sich nun zur politischen Linken oder zur bürgerlichen Mitte zählen will, nicht unbedingt glaubwürdiger.

Wie sagt man im Volksmund?

Wasser predigen und Wein trinken. Der CVP-Parteipräsident macht es gleich selbst vor:

Verglichen mit diesem etwas volkstümlich und populistisch anmutenden Sprichwort gefällt mir im Zusammenhang mit dem komplexen Getränk Wein ein anderes doch wesentlich besser: In vino veritas.

Und dieses Bonmot stünde der CVP in der Parteispendenfrage sicherlich besser an. Denn schliesslich gilt wohl auch bei der CVP: Pecunia non olet.

Montag, 1. Juni 2009

Prof. em. Dr. rer. pol.

Manche Professoren, seien sie emeritiert oder noch immer öffiziös im Dienste ihrer Alma Mater, partizipieren gelegentlich an öffentlichen Debatten und bringen dabei sich und ihr wissenschaftliches Renommé in die Diskussionen ein, die, wie dies in parlamentarischen Demokratien die Regel ist, oftmals via die Medien vermittelt werden. Die dabei manchmal entstehende Furcht des nach Öffentlichkeit strebenden Wissenschafters, dass das öffentliche Publikum seine Beiträge vielleicht mit Unverständnis aufnehmen könnte, treibt oftmals seltsame Blüten. Das in langen Jahren akribisch angeeignete professorale Wissen soll schliesslich möglichst verständlich in einem breiten Resonanzraum gestreut werden, um dem Ziel, sich selber und seine Positionen anzupreisen, Genüge zu tun. Ein gerüttelt Mass an populärwissenschaftlichen Abziehbildern von den gemeinhin als graue Theorie geltenden wissenschaftlichen Erkenntnissen vermag dabei das Publikum oftmals anzusprechen.

So hat sich etwa Walter Wittmann, der emeritierte und durchaus okaye Ökonomieprofessor der Universität Freiburg, im gestrigen 'Sonntagsblick' zur Finanz- und Wirtschaftskrise geäussert. Die im Interview mit dem Staatsfetischisten Werner Vontobel gegebenen Antworten scheinen sich dabei durchaus an die Klientel des linksliberalen Boulevard-Blattes zu adressieren. Ohne seine wissenschaftliche Kompetenz in Frage stellen zu wollen, übt sich Herr Prof. em. Dr. rer. pol. Wittmann dennoch in komplexitätsreduzierenden Analysen und Vorschlägen zu Ursprung und Bewältigung der Krise. So sagt er etwa: "Es reicht eben nicht immer, die Lage rein ökonomisch zu analysieren und zu zerreden. Manchmal muss man sich auch einfach em­pören!" Dabei hat er doch erst kürzlich in einer Rubrik des 'Magazins' verlauten lassen, was er alles nicht möge:

"Was ich nicht mag

Populisten.
Massenveranstaltungen.
Schönschwätzer.
Scheinheilige.
Moralisten.
Zwang zum Konsens."

Es scheint fast so, als ob er sich bei der Massenveranstaltung, die der 'Sonntagsblick' jeweils Wochenende für Wochenende veranstaltet, allzu sehr in der Pose der ihm eigentlich nicht genehmen Rollen - etwa der eines Populisten oder eines Moralisten - gefallen würde, indem er stimmungsvoll und inbrünstig in den Chor der momentan Oberwasser spürenden Keynesianer einstimmt und er also freiwillig dem "Zwang zum Konsens" beipflichtet.

Vielleicht sei ihm ein Beitrag Silvio Borners, eines anderen und noch lehrenden Ökonomieprofessors an der Universität Basel, in der aktuellen 'Weltwoche' empfohlen ("Verlorene Unschuld"). Borner schreibt etwa:

"Wirtschaftskrisen erschüttern die Wirtschaftswissenschaften. Die durchaus löbliche Absicht, die nächste Krise zu vermeiden, kann jedoch zu neuen Fehlern führen. Drei Beispiele:

(...)

In Krisenzeiten treibt die Regulierung jedoch ihre schönsten Blüten. Eines Tages wird die Angst wieder der Euphorie weichen und neue Übertreibungen inszenieren. Diese können freilich gerade nicht auf Vorrat wegreguliert werden, weil neue Spekulationsblasen nicht voraussehbar sind. Wenn diese sich abzuzeichnen beginnen, ändert sich das Risikoverhalten so dramatisch, dass die Finanzakteure wie eindringendes Wasser trotz angeblich wasserdichter Regulierungen wieder neue Ritzen finden.

Der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Merton stellte die richtige Frage: «What drives financial innovation?» Er gab die richtige Antwort gleich selber: «Taxes and regulations.» Jede Regulierung hat unvorhersehbare und nicht beabsichtigte Konsequenzen. Wer damit nicht leben kann, muss politisch sämtliche Eventualitäten derart zumauern, dass jede Innovation erstickt. Mit verheerenden Konsequenzen für unseren Wohlstand, der ohne die Entwicklung hochkomplexer und innovativer, aber auch hochvolatiler Finanzmärkte unvorstellbar wäre."

Nun ficht dies Wittmann zwar noch nicht wirklich an - aber später schreibt Borner weiter:

"Weil die private Nachfrage fehle und Kapazitäten ungenutzt blieben, könne der Staat ohne volkswirtschaftliche Kosten seine Ausgaben ausdehnen. Keynes stellte staatliche Programme bildlich so dar, dass eine Gruppe von Arbeitern Löcher gräbt, die von einer anderen Gruppe wieder zugeschüttet werden. Selbst wenn dies direkt unproduktiv sei, werde diese Politik über den Einkommens-Multiplikator indirekt «produktiv». Ein positiver Kapazitäts- oder Angebotseffekt ist in dieser Situation der Unterbeschäftigung und Unterauslastung nicht gefragt.

Wie Friedman bei der Inflation übersehen Keynes und seine Nachbeter die wirtschaftspolitische Dimension. Um im Bild zu bleiben: Die aufgefüllten Löcher von Keynes müssen schliesslich nochmals saniert werden, weil sie durch interessenpolitischen Giftmüll verseucht sind. Dieser besteht in falschen Strukturen und Technologien, die in der Krise ohne Rücksicht auf Verluste an zukünftiger Produktivität politisch «verlocht» werden. Für alle, die für mehr Staatsausgaben «weibeln», ist die Krise die Chance, alles Mögliche zu subventionieren. Diese interessengetriebene Ausgabenflut hat negative Folgen für die Erholung und das Wachstum, weil die Folgekosten der Schulden wie der Fehlinvestitionen die Zukunft belasten. Der Kapazitätseffekt ist nicht mehr wie bei Keynes gleich null, sondern negativ! Eine Erkenntnis der politischen Ökonomie, die vom traditionellen Keynesianismus ausgeblendet wird."

Zwischen Prof. em. Dr. rer. pol. Walter Wittmann aus Freiburg und Prof. Dr. rer. pol. Silvio Borner aus Basel mag in der zur Zeit öffentlich breit verhandelten Forderung nach staatlichen Konjunkturprogrammen zur Stimulierung der Wirtschaft ein inhaltlicher Dissens bestehen - im Bedürfnis nach breiter öffentlicher Publizität gleichen sie sich dann aber doch noch. Auf der einen Seite wird das linksliberale und linkspopulistische boulevardeske Lager bedient ('Sonntagsblick'), auf der anderen das marktwirtschaftliche, anarcho-liberale und bisweilen auch rechtspopulistische Lager ('Weltwoche').