Dienstag, 29. Juli 2008

Da wir schon gerade bei den Tommies sind ...

... wollen wir auch kurz bei ihnen verbleiben. Zu diesem Zweck greifen wir eine Debatte auf, die zwar längst angestaubt ist und die niemanden mehr interessiert, die jedoch - zumindest mit einiger Distanz - nebst dem noblen Anliegen des Anti-Chauvinismus auch einige selbstironische Züge aufweist.

Es gibt einen Schlachtgesang namens 'Ten German Bombers', den die englischen Fussballfans jeweils anlässlich von Nationalmannschaftsspielen zwischen England und Deutschland singen. Der Song stammt ursprünglich aus dem 2. Weltkrieg, als die Deutschen Luftangriffe auf britische Städte flogen ("Blitz"). Seither wird der Song offenbar gerne von den Tommies an Fussballspielen zwischen diesen beiden Mannschaften gesungen.

Während der Weltmeisterschaften im Fussball 2006 in Deutschland baten nun der englische Fussballverband, die Football Association, und der Manager, Sven-Göran Eriksson, die englischen Fans, auf das Singen von 'Ten German Bombers' zu verzichten. Genau dies war die Steilvorlage für Torsun, seineszeichen Mitglied von 'Egotronic' - einer ziemlich guten 'Electropunkband' aus Deutschland mit der richtigen politischen Einstellung - jetzt erst recht eine alberne Trash-Techno-Version vom Song zu produzieren (inkl. Videoclip)..

Hier nun also der Link zum Video, Torsun feat. Koks & Pillen - Ten German Bombers:

Video

Wie man sieht: Das Video ist Bombe..

Gerne verweise ich in diesem Zusammenhang auf einen guten Artikel in der taz:

taz-Artikel

Eine köstliche Geschichte..

Sweet Sixteen

Vorhin habe ich im TV in der Reihe 'Delikatessen' des Schweizer Fernsehens den Film 'Sweet Sixteen' gesehen. 'Delikatessen' ist nebst der 'Sternstunde Philosophie' sowie, allerdings nur wenn man Glück hat mit dem eingeladenen Gast, des 'Literaturclubs' das einzige sehenswerte Format des gebührenfinanzierten Schweizer Fernsehens. Die Anmoderation zum jeweils zu zeigenden Film wird von Michel Bodmer gemacht, einem Mann mit cineastischen Kompetenzen, die in ansprechende Suaden, vorgetragen in einem sonoren Ton, münden. Hier ein Bild von ihm:

Nun also zum Film 'Sweet sixteen': 'Sweet sixteen' ist ein britisches Sozialdrama, das am Rande der Gesellschaft in einer schottischen Stadt spielt. Der offenbar typische britische Sozialrealismus Ken Loachs, ein Trotzkist, eingebunden in einen Kontext der kapitalistischen Resteverwertung in Zeiten New Labours, wird mit einer trügerischen Atmosphäre eingefangen; trügerisch deshalb, weil des Protagonisten Hoffnung auf eine bessere Zukunft nur eine Chimäre darstellt. Mir hat diese filmische Sozialstudie gut gefallen, trotz oder vielleicht gerade weil sie nicht ganz unparteiisch auf mich wirkte. Die Figuren werden in ihrem Elend, das auch mittels des Kontextes, den heruntergewirtschafteten Werften, zum Ausdruck kommt, facettenreich eingefangen.

Der Film ist in englischer Sprache produziert worden - allerdings mit starkem schottischen Akzent. Auch wenn ich bis auf die unzähligen Fluchwörter praktisch kein Wort verstanden habe (dafür gab es dann aber deutsche Untertitel..), so ist dieser Film doch sehr sehenswert. Untenstehend ein Link zu einem - allerdings relativ unterhaltsamen - Ausschnitt (es handelt sich um den einzigen Ausschnitt, den ich auf youtube gefunden habe):

Video

Sonntag, 27. Juli 2008

Bastien Girods Vision einer "menschenfreundlichen Mobilität"

In Zeiten umfassender Sorge über den Klimawandel, in denen Schreckensszenarien ob der globalen Erwärmung als Mahnmal des technologischen Fortschritts zirkulieren, scheinen einige Jungpolitiker keinen kühlen Kopf mehr zu bewahren. Einer von ihnen ist der ehemalige junge Grüne und heutige Nationalrat der Grünen, Bastien Girod. Er ist der Initiant der eidgenössischen Volksinitiative 'für menschenfreundlichere Fahrzeuge'.


Die Befürworter fassen unter anderem folgende Argumente für ihre Initiative zusammen:

"Unsere Initiative bremst die Klimaerwärmung, schützt Velofahrer, Fussänger und Kinder, stoppt Aufrüstung auf der Strasse, ermöglicht das 1-Liter-Auto, reduziert Luftverschmutzung und ist trotzdem verhältnismässig." (Verein für menschenfreundlichere Fahrzeuge)

Diese Anliegen wirken gewiss nobel, sie sind jedoch mit einem Makel behaftet. Bastien Girod und sein Verein für menschenfreundlichere Fahrzeuge gehen davon aus, dass die Folgen gesellschaftlicher Prozesse, wie zum Beispiel des Klimawandels, dekontextualisiert betrachtet werden können, mithin die Folgen eines systemimmanenten globalen Phänomens (file it under: Verschleiss natürlicher Grundlagen) individualisiert und zur Schuld des Einzelnen, hier: der Eigentümer eines 'Offroaders', erklärt werden können. Dieser verkürzten Kritik liegt zusätzlich eine latente Verzichtsideologie und eine moralinsaure Verzichtsethik zugrunde, die darüber hinaus im technologischen Fortschritt keineswegs eine Emanzipation aus naturwüchsigen Lebensformen, sondern eine Bedrohung für "Velofahrer, Fussgänger und Kinder" zu erkennen glaubt.

Es bleibt abzuwarten, ob das Initiativkomitee stichhaltig argumentiert, wenn es darauf hinweist, dass ein Verbot von 'Offroadern' in der Schweiz den Klimawandel wird aufhalten und somit dem putzigen Kerlchen auf dem nachfolgenden, vom Initiativkomitee übernommenen Bild seine Eisscholle wird retten können.

Samstag, 26. Juli 2008

Die Grenzen der Wissenschaft

In der Neuen Zürcher Zeitung erschien in der heutigen Samstagsausgabe im International-Teil ein Artikel eines Wissenschafters über die Gefahr eines Militärschlages im Iran. Zuvorderst ein kurzer Hinweis auf den Background des Autors des zu besprechenden Artikels. Die NZZ schreibt: "Der Autor [Johannes Reissner] ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin." Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin, so ist auf Wikipedia nachzulesen, berät "in Fragen der Ausen- und Sicherheitspolitik" sowohl den "Bundestag als auch die Bundesregierung". Liest man den Artikel des Wissenschafters, so wird auch einigermassen die deutsche Iran-Politik nachvollziehbar ...

Im Artikel werden eindrücklich die Grenzen der Wissenschaft aufgezeigt, indem sich der Autor von fragwürdigen Prämissen leiten lässt. Er nimmt zum Beispiel bereits im Untertitel an, dass das "israelische Vormachtsstreben" ein "Hindernis bei der Suche nach [einem] Gleichgewicht" sei. Da fragt sich der kritische Leser: welches israelische Vormachtsstreben bitte schön? Meint er damit eventuell das nachvollziehbare israelische Sicherheitsbedürfnis und unstrittige Recht, sich notfalls auch bewaffnet gegen seine Feinde in deren Territorien zur Wehr zu setzen?

Jedenfalls scheint er etwas nicht verstanden zu haben, der Herr Wissenschafter: Der Kleinstaat Israel, umgeben von ihm feindlich gesinnten Regimen und Banden wie Hamas, Hisbollah etc., versucht in einer pluralistischen demokratischen Ordnung mit freier Presse, Gewaltenteilung etc. ein - so sehr es denn nach dem Zivilisationsbruch der Shoah möglich ist - normales Leben zu führen, das auch möglichst freundschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarn anstrebt. Ebenjene Nachbarn jedoch wollen offenbar keine (freundschaftlichen) Beziehungen zu Israel unterhalten, im Gegenteil; sie betrachten Israel, das zumindest hat der Herr Wissenschafter dann doch auch vermerkt, als "Krebsgeschwür", das es "auszurotten" gelte. Ob diese antisemitischen Vernichtungsphantasien letztlich 'lediglich' propagandistisch sind oder nicht - wie von Iran-Verstehern manchmal insinuiert wird - ist unerheblich. Es gilt, wenn nötig auch mit einem gezielten Präventivschlag der IDF oder der USAF, zu verhindern, dass die Scharfmacher über die dazu erforderlichen Mittel wie zum Beispiel eine Atombombe verfügen können.

Dass es dabei notwendig ist, dass die IDF zuweilen in fremdem Territorium Kampfeinsätze auszuführen haben, liegt in der Fragilität des israelischen Staatsgebildes begründet: Ein Krieg, der auf israelisches Territorium hineingetragen würde, kann sich Israel kaum leisten, denn dies würde bei einer allfälligen Niederlage dem Ende des jüdischen Staates Israel gleichkommen. Vor diesem Hintergrund ist also das sogenannte "israelische Vormachtsstreben" eine für den jüdischen Staat existenzielle Notwendigkeit.

Die Beschwichtigungspolitik in Bezug auf das iranische Nuklearprogramm seitens der EU und somit also auch Deutschlands, welches, wir erinnern uns, in aussenpolitischen Fragen von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beraten wird, hat sich hingegen als nachweislich untauglich erwiesen. Die Mullahs lachen sich ob soviel gutgemeinten Anreizprogrammen von Appeasement-Politikern doch in ihre Bärte.

Obwohl der Artikel nachweislich vollkommen Panne ist, so sind doch wenigstens bei den Leser-Kommentare einige erhellende Wortmeldungen zu lesen. So schreibt jemand bereits im ersten Kommentar Folgendes:
"Nahostwissenschaft - da gehört das kleine 1 x 1 dazu

Ws hier unter dem Titel "Wissenschaft" langfädig daherkommt, ist einseitige Propaganda. Wenn der Autor sich die Bilder von der Hisbollah-Hassdemo beim Gefangenenaustausch angesehen hätte und die Mentalitäten der arabischen Strasse auch nur ein wenig kennen würde, , wäre ihm bewusst geworden, dass ein 7.5 Millionen Staat in einer Umgebung von 300 Millionen Arabern und 80 Millionen Iranern nur durch militärische Stärke überleben kann. Das hat nichts mit Hegemonieanspruch zu tun. Mich wundert übigens, dass die NZZ so einen Nonsens überhaupt abdruckt."
Die üblichen Leser-Beiträge, die auch noch im letzten "wissenschaftlichen" Beitrag eine "vorzügliche Analyse" entdeckt zu haben meinen, fehlen dabei natürlich nicht. Sie sind jedoch, abgesehen vom Unterhaltungswert, zu vernachlässigen, da sie lediglich die vom Autor des Artikels aufgezeigten Grenzen der Wissenschaft - die unter anderem in wissenschaftlicher Voreingenommenheit und falschen Prämissen zum Vorschein kommen und also nicht Wissen und Aufklärung schaffen, sondern genau das Gegenteil davon bewirken - unkritisch affirmieren.

barack obama in berlin

vor dem hintergrund des us-amerikanischen präsidentschaftswahlkampfes hier einige gedanken zur rede obamas in berlin:

das war, äh, nett - vielleicht ein etwas unausgewogenes verhältnis zwischen pathos und logos, das sich sichtlich und hörbar eher an ersterem orientierte. angesichts der fortschreitenden infantilisierung der bürger und des rückzugs des politischen aus dem öffentlichen war diese auch auf emotionen abzielende rede obamas sicherlich nicht überraschend.

komischerweise scheint das politische im öffentlichen gerade dadurch wieder an strahlkraft zu gewinnen, indem es die individualisierten leute in einem polit-event und also einer spätkapitalistischen form eines kategorischen imperativs freizeitlichen dauerspasses wieder zusammenführt. dasselbe phänomen, wenn auch unter anderen vorzeichen, kennt man seit 2006 ja auch vom rudelgucken beim fussball.

zur rede:

vor dem hintergrund berühmter reden von us-amerikanischen präsidenten in berlin, die ihren niederschlag in den zitierkanon der politischen bonmots gefunden haben, wird man wohl noch abwarten müssen, ob eine ähnliche zitat-resteverwertung von obamas berliner rede ausgehen wird.

es ist kaum verwunderlich, dass die emotionalen bekenntnisse zum multilateralismus und zur bündnistreue mit old europe beim deutschen und europäischen publikum gut angekommen sind. applaus brandete durch die menschenmassen auf der strasse des 17. junis als obama auf den irak-krieg zu sprechen kam, den es zu beenden gelte. ob dergleichen für die s
icherheit des iraks zuträglich ist?

auch wenig überraschend war die spürbare skepsis des publikums bei obamas zurückhaltend formulierter forderung, deutschland möge mehr soldaten nach afghanistan schicken und dort vor allem auch kampf- und nicht bloss aufbauarbeiten wahrnehmen. die europäischen friedensfreunde mit ausnahme grossbritanniens hören so was nicht gerne. hingegen stiessen die bekenntnisse zum schutz der umwelt auf ungeteilten zuspruch. darauf ein bisschen exkursiv eingehend, warum das so ist, ein zitat der publikation 'phase 2':

"Insbesondere Deutschland präsentiert sich dabei nach Außen wie nach Innen als fortschrittlich-ökologische Vorbildnation. Als Klimasünder Nr. 1 gelten dagegen spätestens seit ihrer Weigerung, sich dem Kyoto-Protokoll zu beugen, die USA. Es ist kaum zu übersehen, wie sehr Ökologie und Klimaschutz inzwischen zum moralischen Kapital in der Staatenkonkurrenz geworden sind. Ganz unabhängig von wissenschaftlichen Gutachten, dem Realitätswert von Katastrophenszenarien und der Einführung von Dosenpfand erweist sich der derzeitige Klimadiskurs dabei – wie zu erwarten – insbesondere als antiamerikanischer, der weit mehr auf dem Stereotyp von einer US-Wegwerf- und Fastfood-Gesellschaft beruht als auf einer wie auch immer gearteten ökologischen Faktenlage. So wird die Welt in der internationalen Standortkonkurrenz zunehmend in ökologisch besonnene Modernisierer wie Deutschland und unersättliche Klimasünder aufgeteilt, zu denen neben den USA oft auch China und aufsteigende Schwellenländer gerechnet werden. Die gemeinschaftsbildende ideologische Kraft der Sorge um die Umwelt ist eben groß, und unter dem »globalen« Projekt des Umweltschutzes schimmert, insbesondere in Deutschland, das nationale Projekt des »Heimatschutzes« bei gleichzeitiger Sicherung der eigenen Konkurrenzfähigkeit durch." (Phase 2)

alles in allem hat mir die rede obamas, wenn ich auch inhaltlich an manchen stellen nicht übereinstimmen würde, relativ gut gefallen. das charisma obamas und seine rhetorische begabung sind tatsächlich epochemachend. ich ertappte mich dabei, dass mich obama mit seinen emotionalen appellen einige male auch erreicht und erweicht hat ...

nichtsdestotrotz habe ich gewisse bedenken, wenn vermeintlich aufgeklärte bürger quasi gleichgeschaltet einen der leersten slogans ever gebetsmühlenartig wiederholen: "yes we can". zudem erscheint mir ein "change" um des "change" willen inhaltsleer zu sein.

ansonsten verweise ich gerne auf den schönen artikel von lizas welt über "Deutschlands Lieblingsamerikaner" (lizas welt).

Début

Ohne allzu pathetische Einweihungsworte zu bemühen - denn schliesslich möchte der Verfassende in media res gehen und nicht einen Einstieg ab ovo liefern - soll mit diesem (ersten) Beitrag das Leitmotiv dieses Blogs, obwohl ihm kein konzeptartiges Vorgehen zugrunde liegt, schnell erklärt werden.

Höllensturz, das Blog, will also "Ansichten zu vielem" vermitteln. Ob das klappen wird? Einiges lässt sich dagegen anführen: die Unschärfe eines nicht enger definierten Rahmens zum Beispiel. Oder die Beliebigkeit eines schwammigen, auf dem Pluralen errichteten Themenkomplexes. Nichtsdestotrotz versucht Höllensturz einige für den Verfassenden von Relevanz seiende Themata in möglichst prononcierter Sprache, deren Duktus sich zwischen Lameness und Impertinenz bewegt, zu übermitteln.

Das Eingangszitat, übernommen von Johann Wolfgang von Goethe, ist - nebst der Unzulänglichkeit und Lächerlichkeit eines Zitates als leitmotivistische Onkelhaftigkeit an sich - ein Hinweis darauf, dass von diesem Blog zwar Licht ausgehen soll, es jedoch gleichzeitig viel Schatten hat. Das soll so sein.