Sonntag, 15. Februar 2009

Die Finanzkrise als willkommener Anlass für die politischen Parteien, das Wählerpotential zu mehren

Es ist wohl der Funktionsweise der parlamentarisch vermittelten Herrschaft zuzuschreiben, dass die politischen Parteien jeglicher Couleur vom linken bis zum rechten Spektrum die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise instrumentalisieren, um ihr Wählerpotential zu maximieren. Es erstaunt deshalb nicht, dass in diesem Gewinnungs- und Bindungsprozess des Stimmbürgers vor allem populistisch kalkuliert wird. Die vermittels der Massenmedien aktualisierbaren "Moralbestände des guten und gerechten Lebens" (Kurt Imhof) haben eine ständig empörte Vox Populi als Resultat. Und da der Job des Politikers vor allem darin besteht, sich der Öffentlichkeit als die Figur anzubieten, welche die drängenden Probleme zu lösen verstehe, läuft es schliesslich in normalverteilten Gesellschaften unter Berücksichtung der Spieltheorie, namentlich des 'Gefangenendilemmas', darauf hinaus, dass man unter den aktuellen Bedingungen aktivistisch wird um die potentiellen Wähler, die künstlich empörte Vox Populi, nicht mit Untätigkeit zu verunsichern. Will man diese potentiellen Wähler erreichen, so wirft man, um nicht den Kontakt zu den anderen aktivistischen Parteien und Politikern zu verlieren, Parteigrundsätze kurzerhand über Bord, wie etwa bei der SVP oder man reformuliert strategische Grundsätze, die bereits vorher nur äusserst vage erkennbar waren und die sich vor allem am Zeittrend orientierten wie bei der CVP.

Der wirtschaftspolitische Schwenker Blochers und also vermutlich der Mehrheit der SVP, nach dem auf einmal Privatunternehmen im Schosse des Staates aufgepäppelt werden sollen, überrascht vor dem Hintergrund jahrelanger konservativer Finanz- und Wirtschaftspolitik doch einigermassen. Auch wenn immer klar war, dass die nationalkonservative Partei letztlich - sicherlich mit Ausnahme einzelner Parteiexponenten - eben doch nie liberal gewesen ist und es auch heute nicht ist. Letztlich geht es ihr darum, mit Rückgriff auf die als solches deklarierten nationalen Interessen das Stimmenpotential in der Mitte zu maximieren. Hoffentlich wird sich der wirtschaftsfreundliche Flügel von der schollenverbundenen Parteimehrheit abspalten.

Dass die CVP, bei der Anspruch und Realität seit Jahren auseinanderklaffen, am Parteitag auf abstruse Forderungen zurückgreifen muss, um das selbe Ziel wie die SVP zu erreichen, überrascht hingegen eher weniger. Die CVP fordert namentlich die "Abkehr vom Neoliberalismus", ganz so, als ob der "Neoliberalismus" in diesem Lande, wiewohl ungleich liberaler als umliegende Länder, jemals in seiner buchstäblichen Lehre zur Geltung gekommen wäre. Es handelte sich angesichts staatlichen Wachstums und bürokratischen Ausbaus doch stets eher um eine Mischform aus sozialen und liberalen Konzepten. Wenn Darbellay folgenden populistischen Unsinn daherredet, wird es mir schlecht:

"«Nicht Freibeutertum, sondern die dem Menschen dienende Marktwirtschaft ist das Modell der Zukunft», sagte CVP-Präsident Christophe Darbellay vor den Delegierten in Solothurn. Die CVP stehe in der Pflicht, «denjenigen den Lead abzunehmen, welche einen grenzenlosen und schädlichen Neoliberalismus gepredigt haben».

Angesichts der Lohnexzesse und der Wirtschaftskrise forderte Darbellay eine Rückkehr zu Werten wie Respekt und Ehrlichkeit. Die Finanzkrise zeige, was passiere, wenn langfristiges Denken dem kurzfristigen Gewinnstreben Einzelner untergeordnet werde. Darbellay kritisierte den Drang der Wirtschaft nach kurzfristigen Gewinnen statt langfristigem Wachstum sowie den Realitätsverlust gewisser Wirtschaftsführer. Die CVP sei durch ihre Geschichte prädestiniert, Werten wie Ehrlichkeit, Respekt und Verantwortungsbewusstsein wieder mehr Geltung zu verschaffen, sagte er.

(...) Zu den Grundwerten sozialer Marktwirtschaft zählt Darbellay auch den Umweltschutz. «In 10 Jahren muss die Schweiz das Nachhaltigkeits-Land par excellence sein», forderte Darbellay. «Ein Land, welches über saubere Technologien, Energieeffizienz und erneuerbare Energien verfügt.»

Delegierte verabschieden Wirtschaftsresolution

Die CVP-Delegierten haben am Parteitag in Solothurn eine Wirtschaftsresolution verabschiedet. Die Resolution «liberal-soziale» Marktwirtschaft stellt eine verantwortungsvolle und nachhaltige Wirtschaftspolitik ins Zentrum. Sie hält fest, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Dienst der Menschen stehen muss. Eine moderne, soziale Martwirtschaft gründe auf der Eigenverantwortung des Einzelnen und der Solidarität mit den Schwachen.

Schwerpunkte setzt die CVP bei der Sicherung der Arbeitsplätze, bei der Forschung und der steuerlichen Entlastung der Familien. Auch müsse die Wirtschaft mit den natürlichen Ressourcen sparsam umgehen. Ökologie und Ökonomie stünden nicht im Widerspruch." (Link)

In der Wirtschaftskrise ist von den grossen Parteien nun also nur noch die FDP eher zurückhaltend, obwohl ja selbst von ihr bereits ähnliche Töne vernehmbar gewesen sind. Dass mit all diesen Resolutionen und Stellungnahmen, mit denen im Ausnahmezustand der Politiker den Pöbel organisieren will, um mal endlich richtig durchgreifen zu können, letztlich vermutlich eher weniger Effektives, ja gar Fortschrittliches resultieren wird, ist dem Politiker des Ausnahmezustands egal. Hauptsache, es wird etwas getan.

Auf der Achse des Guten las ich kürzlich Folgendes:

"Eine Verfassung der Freiheit wird von der herrschenden Klasse in Deutschland wie in Europa nicht angestrebt. Vielmehr arbeiten organisierte Interessen auf das Gegenteil hin - eine umfassende Regelung des Daseins der Bürger in fast allen Lebensbereichen."

Ein Leitsatz, der sich nun ebenfalls im Schweizer parlamentarischen Betrieb deutlicher abzuzeichnen beginnt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der ausführliche Beitrag hier ist bei Weitem besser als der "Ausschnitt" den du im Indienet gepostet hast. Ich kann dir nur zustimmen. Enttäuscht bin ich vor allem von Blocher, der bisher immer als Wirtschaftsliberaler Denker und Macher aufgetreten ist. Belustigend ist zudem, dass Toni Brunner den Standpunkt der SVP mit den genau gleichen Worten wie Blocher verteidigt. Es ist jedoch eine Schande, dass die Parteileitung keine Rücksicht auf die Exponente des wirtschaftsliberalen Flügels nimmt, hätte hier gerade die SVP sehr gute Leute zu bieten, die sich zurecht hintergangen fühlen.

Die Forderungen Darbellays habe ich heute auch gelesen, absolut unverständlich. Die CVP, die wahre ZickZack-Partei, die nie wirklich weiss ob sie denn nun bürgerlich ist oder dem rot-grünen Flügel zuzuordnen ist, scheint sich endgültig von der Diskussion verabschiedet zu haben. Schade.

Dass die FDP ruhig ist im Vergleich zu den Anderen freut mich ziemlich. Zwar kann man einmal mehr die Situation nicht nutzen, um endlich klar Stellung zu markieren ohne populistische Forderungen zu stellen, jedoch muss man froh sein, dass sie sich nicht, oder besser fast nicht, dem Populismus hingibt.

Ich hoffe auf eine starke Allianz liberaler Politiker aus den bürgerlichen Parteien, um für die Zukunft bestimmt wirtschaftshemmende Entscheide zu verhindern. Ich hoffe, dass solche Forderungen wie aus UBS und CS einen de facto Staatsbetrieb machen, masslos übertriebene Konjukturpakete - wieso der Keynesianismus, der gezeigt hat, dass er zum Scheitern verurteilt ist, eine Wiederauferstehung feiert, ist mir unklar -, oder Quatsch wie Maximal- und Mindestlöhne nicht beschlossen werden. Der Darbellay will ja weitsichtige Entscheide, also nur die Finger weg davon.

Anonym hat gesagt…

Entschuldige die Orthographiefehler.