Mittwoch, 18. Februar 2009

Der sich herausbildende demokratisch verfasste irakische (Rudimentär-)Kapitalismus und Old Europe

Die 'NZZ' hat heute zum Besuch des deutschen Aussenministers Frank-Walter Steinmeier im Irak mit "Billigflüge nach Bagdad" (Link) einen der lakonischsten Kommentare der letzten Zeit veröffentlicht. Die Wortwahl im Kommentar dürfte vor allem deshalb so ironisch sein, weil in der jüngsten Handelsreisediplomatie nach Bagdad mit Paris und Berlin - die wirtschaftlichen Kollaborateure des ehemaligen Saddam-Regimes - ausgerechnet die beiden stärksten Kriegsgegner des antifaschistischen Krieges gegen die Baath-Diktatur involviert sind.

Nachdem im Zweistromland kürzlich die demokratischsten Wahlen seit langem erfolgreich durchgeführt wurden und sich die Sicherheitslage inzwischen aufgrund des hohen Preises, den die allierten Streitkräfte und die irakische Zivilbevölkerung zu bezahlen hatten, merklich verbessert hat, ist das Zweistromland auf der Aussenwirtschaftsagenda Paris' und Berlins wieder prominent vertreten. Die Aussichten auf kapitalistische Verwertungsprozesse locken nun die Verantwortlichen der "billigsten Politik" ('NZZ') nach Bagdad.

Ich zitiere aus dem 'NZZ'-Kommentar:

"Mützelburg soll, so heisst es in Steinmeiers Amt, Ansprechpartner für den amerikanischen Sondergesandten Holbrooke sein. Vermutlich ist es so, dass dieser sich in seiner heiklen Mission vor allem Gedanken darüber macht, wie er seinem deutschen Gegenpart von Nutzen sein könnte. Mützelburg, so verlautet weiter, habe den Auftrag, die diplomatischen Aktivitäten in der Region zu verstärken. Das ist vermutlich genau das, woran es in Afghanistan am meisten mangelt."

"Während Kabul kaum deutsche diplomatische Aktivitäten braucht, sind die Iraker nun plötzlich wieder hoffähig geworden. Der Aussenminister sagt es so: «Die irakische Regierung hat in den vergangenen Monaten wichtige Erfolge bei der politischen Stabilisierung des Landes erzielt. Meine Reise zeigt: Wir wollen diesen neuen Irak auf dem Weg der demokratischen Konsolidierung und des friedlichen Ausgleichs zwischen Religionen und Ethnien unterstützen.»"

" Das ist schon gut. Nur hätte der Barmherzige aus Berlin auch erwähnen dürfen, welches Land diesen neuen Irak zustande gebracht hat und wie viel der friedliche Ausgleich zwischen Religionen und Ethnien bis jetzt gekostet hat. Aber eben: Seit George W. Bush, der Verfemte, aus den Schlagzeilen verschwunden ist und ein neuer Präsident den Kampf gegen den Terror weiterführt, hat die Kultur der Empörung ausgedient. Jetzt können die Handelsreisenden in Bagdad ihre Koffer wieder auspacken. Der Busybody Sarkozy hat dies letzte Woche getan, heute ist der Wahlkämpfer «Frank» an der Reihe, andere werden folgen. Schön, dass der Irak wieder eine Demokratie ist. Auch die billigste Politik hat jetzt wenigstens keine Legitimationsprobleme mehr."

Thomas von der Osten-Sacken hat anlässlich des Besuches Sarkozys ähnliches auf seinem immer wieder lesenswerten Blog 'Wadi Blog' geschrieben.

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