Dienstag, 10. Februar 2009

Der herbeiphantasierte Sündenfall der Banker und die Sehnsucht des Kollektivs nach öffentlicher Abbitte der Wirtschafts-Elite

In Zeiten der Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise, in denen den 'Neoliberalen', den 'Marktradikalen' oder auch den 'Liberalen' ein rauher Wind entgegenweht, es sich kaum mehr ziemt, freien Märkten zu vertrauen und dem Staat grundsätzlich zu misstrauen sowie verkürzte Zweifel ob der Tauglichkeit und Wünschbarkeit der Vergesellschaftungsform des Kapitalismus - der schlechtesten wirtschaftssystemischen Lösungen, abgesehen von all den anderen Alternativen in der Wirtschaftsgeschichte, angemeldet werden, fordert das Kollektiv Schuldige. Die dem Kollektiv kaum bekannten systemimmanenten Widersprüche des Kapitalismus, der etwa das Risiko des eigenen Scheiterns bereits in sich trägt, sollen in komplexitätsreduzierender Absicht personifiziert werden, sollen also an Charaktermasken aufgehängt werden, damit auch die eigene Schuld, da man den Kapitalismus tagtäglich auf's Neue reproduziert, nach Möglichkeit delegiert werden kann. Als Schuldige eignen sich für das Kollektiv besonders die exponierten Institutionen und Akteure des Kapitals: also insbesondere alles, was mit Banken zu tun hat und als dessen exekutiver Arm hauptsächlich die Banker.

Das Kollektiv phantasiert sich vor dem Hintergrund der jüngsten und tatsächlich scharfen Wirtschaftskrise einen Sündenfall der Banken und der Banker herbei, obwohl es doch gerade dieser Berufszweig ist, der auf die "Plusmacherei" (Zitat von Karl Marx) aus überlebenswichtigen Gründen seit jeher angewiesen ist. Für diesen angeblichen Sündenfall sollen die Institutionen und ihre Repräsentanten öffentlich um Verzeihung bitten. Der Volkszorn verlangt nach Abbitte der Wirtschafts-Elite, die nun von einem Teil der vermeintlichen Angesprochenen tatsächlich geleistet wird:

"Englische Topbanker entschuldigen sich für Krise: «Wir haben viel Geld vernichtet»" (Link)

Die Intention eines solchen fragwürdigen Ganges nach Canossa ist wohl die Wahrung eines Restbestandes an moralischem Kapital in eigener Sache.

Anlässlich des Milliardenverlustes der UBS und der Aufrechterhaltung der Ausbezahlung der variablen Lohnbestandteile haben nun in der Schweiz "von links bis rechts Populisten, alt-neue Staatsgläubige und selbsternannte Moralisten Auftrieb, selbst in Parteien, die sich dem freien Unternehmertum und dem Spiel des Wettbewerbs verpflichtet fühlen." (Zitat aus einem lesenswerten Kommentar Markus Spillmanns, Chefredaktuer der 'Neuen Zürcher Zeitung')

Dass die UBS unglaublich schlecht gearbeitet hat, steht wohl ausser Frage. Auch stellen meines Erachtens 'Boni' oder eben auch variable Lohnbestandteile einen schlechten Anreiz dar, weil es tendenziell überhaupt eher schwierig ist, die Wirkung von sogenannten Anreizen nachzuweisen und weil es betriebswirtschaftlich durchaus sinnvollere Entlöhnungssysteme gibt. Wenn ich allerdings in dieser Hierarchiestufe tätig wäre, würde ich wohl auch nichts gegen die Aussicht einzuwenden haben, mit mehr als dem vertraglich zugesicherten Fixgehalt entlöhnt zu werden..

Oder wie schrieb schon die Redaktion Bahamas in "Die Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand"?
"Das gilt noch für den Nachweis, dass der globalisierungskritische oder sonstwie autoritäre Ideologe der Revolution und die Apologeten der bestehenden Verhältnisse sich Zukunftsprogramme zurechtlegen, in denen der drohend fordernde Ruf nach Gemeinschaft und Zusammenhalt mit entsprechender Feinderklärung jeweils auf den Ausschluss unsolidarischer Elemente zielen, die bezeichnenderweise immer Ackermann und Zumwinkel heißen. Gegen solche Feinderklärungen wären die Gemeinten schon deshalb zu verteidigen, weil sie offen legen, warum man überhaupt arbeiten geht: nämlich, um möglichst reich zu werden und nicht um der Gemeinschaft zu dienen."

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