Montag, 27. Oktober 2008

Moshe Zuckermann oder wie man sich die eigene schmierige 'Israelkritik' absegnen lässt

Über das Top-Blog 'Achse des Guten' bin ich auf ein Interview zwischen 'Neues Deutschland', einer schmierigen 'sozialistischen' Tageszeitung, welche der Partei 'Die Linke' sehr nahe steht, mit Moshe Zuckermann aufmerksam geworden. Moshe Zuckermann, der linke Soziologe und Professor aus Tel Aviv, wird, ähnlich wie Evelyne Hecht-Galinski, insbesondere gerne zur Absegnung des eigenen als 'Israelkritik' getarnten Antizionismus und/oder Antisemitimus interviewt und in Publikationen zitiert. Man hat dann für die eigenen Ressentiments gegenüber Israel einen prima (israelischen) Kronzeugen und die eigene 'Kritik' an Israel kann also - wenn sie selbst von einem israelischen Staatsbürger geteilt wird - kaum als antizionistisch und/oder antisemitisch gelten. Ein schöner manipulativer Trick, der jedoch bei genauerem Hinsehen nicht funktioniert.

So zitiere ich nun einige Antworten von Zuckermann aus dem Interview und versehe sie mit polemischen Zuspitzungen:

"Spätestens nach Auschwitz wurde der Staat Israel zu einer historischen Notwendigkeit. Heute, mehr denn je, würde ich bezweifeln, dass mit der Gründung des Judenstaates Juden sicherer leben können. Aber nach 1945 war die Gründung eines jüdischen Staates an der Zeit."

Der erste Satz ist der einzige Satz des ganzen Interviews, der stimmt. Ab dem zweiten Satz verliert er jedoch bereits eine historische Kontextualisierung aus dem Auge. Als ob nicht bereits seit der Gründung des "Judenstaates", also seit damals, wo er gemäss Zuckermann eine "historische Notwendigkeit" gewesen sei, die Sicherheit von Juden in Israel sehr bedroht gewesen war. Noch in der Gründungsnacht wurde Israel von Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien der Krieg erklärt. Dies weist darauf hin, dass es den israelischen Nachbarn und den Palästinensern eventuell nicht um eine friedliche Koexistenz geht, sondern um ein arabisches Land, das vom Mittelmeer bis zum Jordan reicht.

"Doch die Frage stellt sich mittlerweile anders: Wo geriet die Kritik am Antizionismus qua Antisemitismus-Vorwurf zu einem eigenständigen Fetisch? Anti-Antisemitismus ist dadurch zu einem eigenständigen Ideologem geworden."

Soso..

"Wenn man bedenkt, dass Henryk M. Broder den Ludwig-Börne-Preis bekommt, dann schäme ich mich als Jude. Wenn er und andere Juden seines Schlags die Repräsentanten des deutschen Judentums sind, dann möchte ich mit diesem Judentum nichts zu tun haben. »Israel, mein Israel«, schreit Ralf Giordano und gebärdet sich wie ein waschechter »Zionist-aus-der-Ferne« mit rassistisch-islamophobem Einschlag. Soll dieser Zyniker Broder"

Soso..

"Ich stelle heraus, worum es ihr geht. Es geht denen nicht um Israel, sondern um zutiefst deutsche Befindlichkeiten. Diese Leute, Israel-solidarische »Antideutsche«, werden mir nie verzeihen, dass ich der Sohn von Auschwitz-Überlebenden bin. Sie werden mir auch nicht verzeihen, dass ich Offizier im israelischen Militär war. Sie kommen nicht damit zurecht, dass sie Nachkommen eines Tätervolkes sind; ein Umstand, dem sie mit ihrem »antideutschen« Getue meinen, Rechnung tragen zu können."

Ah, da sind sie wieder, die Antideutschen. Mit denen versteht sich Moshe Zuckermann offensichtlich nicht so gut. Vielleicht sollte Moshe Zuckermann halt auch einfach mal 'antideutsche Textproduktion' lesen, um wirklich verstehen zu können, dass es den Antideutschen nicht um Moshe Zuckermanns Idendität als Sohn von Auschwitz-Überlebenden oder um seine Tätigkeit als Offizier geht. Grigat hat es im verlinkten Text schon zutreffend beschrieben: "All diesen Vorwürfen ist eines gemeinsam: Sie gehen an keiner Stelle auf die Textproduktion der antideutschen Ideologiekritik ein. Entweder kommen sie wie bei Zuckermann völlig ohne Literaturhinweise aus, oder sie beziehen sich auf einzelne Sätze in Flugblättern und Veranstaltungsankündigungen, ignorieren aber die programmatischen Texte, die sich in mehreren Buchpublikationen und rund 15 Jahrgängen von Zeitschriften finden. Die Autoren würden sich auch schwer tun, Belege für ihre wortgewaltigen und mitunter wüsten Anschuldigungen zu finden." Die Antideutschen und mit ihnen auch ich wundern sich jedoch eher über die abenteuerlichen Aussagen wie die folgenden eines Moshe Zuckermann..

"Die einzige realpolitische Möglichkeit ist eine Nuklearisierung, die dann nach und nach zu einer Entmilitarisierung führen muss. Sicherlich gibt es ein Sicherheitsproblem für Israel, das nicht nur von Iran, sondern auch nach wie vor von der Hisbollah ausgeht. Aber wachsam sind die Militärs hier ohnehin. Zudem sei festgestellt: Es ist nun mal die fortgesetzte Okkupation, Landnahme und Besiedlung, die den Terror provoziert."

Genau solche Aussagen verdeutlichen, dass die traditionelle Linke keine Kombattantin im selben kommunistischen Projekt, das früher oder später die staaten- und klassenlose Gesellschaft der freien Individuen herbeiführen sollte, das jedoch zuerst - mehr als alles andere - die Sicherheit Israels und der Juden weltweit garantieren muss, sein kann. Der Vorwurf, die Israelis seien für den Terror, den sie als souveräner Staat mit legitimen Sicherheitsbedürfnissen erleiden müssen, selber verantwortlich, dass sie ihn sogar "provozieren" würden, erinnert stark an das antijudaistische Klischee vom Juden, der an allem schuld sei ('Der Jud’ ist schuld'). Natürlich ist es einer Zwei-Staaten-Lösung nicht gerade förderlich, wenn trotz angedachten Übereinkünften israelische Siedler zuweilen Land besiedeln, auf dass sie de facto kein Anrecht hätten. Als Befürworter einer Zwei-Staaten-Lösung wäre diesbezüglich eine pragmatischere Siedlungspolitik sicherlich nicht unangebracht. Aber es ist doch sehr zu bezweifeln, dass die "Okkupation, Landnahme und Besiedlung" für den Terror der Mörderbanden verantwortlich seien. Darüber hinaus würde eine Räumung der Siedlungen auf palästinensischem Gebiet wahrscheinlich höchstens die europäischen Friedensfreunde besänftigen. Jedenfalls hat die Räumung des Gaza-Streifens im Jahre 2005 gezeigt, dass der Terror dann nicht aufgehört hatte, im Gegenteil: die Angriffe auf israelisches Gebiet haben seither sogar eher zugenommen. Und seither ist mit der Hamas auch eine radikal-islamistische Organisation nach einem blutigen Putsch an die Macht gekommen, deren programmatische Absicht es ist, Israel von der Landkarte verschwinden zu lassen. Kooperationswillen in Bezug auf die Zwei-Staaten-Lösung palästinensischerseits - selbst wenn die Hamas nicht die erste Verhandlungspartei darstellt - sieht jedenfalls anders aus. Wenn also der Abzug aus dem Gaza-Streifen etwas befördert hat, dann vor allem die Erkenntnis, dass "Okkupation, Landnahme und Besiedlung" nicht den Terror "provozieren", sondern dass der Hass auf Israel, der antisemitische Vernichtungswillen der Mörderbanden, sich aus seiner eigenen Ideologie heraus artikuliert und auch in die Tat umgesetzt wird.

Aber das ficht einen wie Moshe Zuckermann vermutlich kaum an.

'Giacobbo / Müller' ist mehr als lame..

So sehr ich Giaccobos Format zu Spätprogramm-Zeiten schätzte, so sehr löst bei mir das neue Konzept Unbehagen aus. Ich habe zwar, glaube ich, noch jede Sendung geschaut, doch so wirklich gut war bislang keine. Bezeichnenderweise waren die, äh, 'unterhaltsamsten' Sendungen ja die, wo SVP-Politiker zu Gast waren (bspw. diejenige mit dem Walliser Pissoir-P(r)o(l)eten Freysinger). Was z.B. hat denn bitte schön Egerszegi letzte Woche in der Sendung verloren? Selten so eine peinliche humorfreie Politikerin gesehen..

Das Gelabber über die Finanzkrise von Giaccobo und Müller wird leider auch nicht besser - eher im Gegenteil: ihr humorbefreiter Populismus wird immer peinlicher. Peter Tate hingegen ist tatsächlich eine positive Entdeckung, wortkarg, aber dann mit englischem Humor immer die richtige Pointe. Positiv ist ferner, dass Giacobbo trotz uninspierter Witze (gut, Dr. Klöti ist nach wie vor okay) immer noch relativ schlagfertig ist. Das macht die Gespräche mit den oftmals blassen Gästen zuweilen ein bisschen unterhaltsam.

Alles in allem wäre eventuell eine Selbstbeschränkung - ähnlich wie zu 'Viktor's Spätprogramm'-Zeiten - auf vielleicht eine Sendung pro Monat nicht die schlechteste Idee. Dies gäbe den beiden Zeit und Raum, um ihre Erlebniswelt pointierter und mit mehr Wortwitz satirisch auszudrücken. Eine kreative Sammlungs- und Schaffenspause, um dann konzentrierter und fokussierter einmal pro Monat am TV zu erscheinen. Denn: Nicht immer bedeudet hohe Quantität auch hohe Qualität (was man vermutlich von diesem Blog auch behaupten könnte..).

Sonntag, 26. Oktober 2008

Des Kapitalismus' Systemfehler, eine Kritik der fröhlich Urständ feiernden Kapitalismuskritik sowie eine Verortung des Begriffes 'Steuerzahler'

Der Titel des Beitrags verspricht vielleicht gar etwas viel auf einmal. Gut, dass dabei aber auf zwei externe Artikel verwiesen wird..

Zum mittleren Teil des im Titel Angesprochenen - zur Kapitalismuskritik für Arme nicht nur in den Mainstream-Medien, die zur Zeit fröhlich Urständ feiert: Unterstützung in ihrem medialen Feldzug gegen 'gierige', 'schamlose' 'Abzocker', formerly known as Manager, finden die Mainstream-Medien zur Zeit bei den Populisten jedwelcher politischer Couleur. Christian Levrat, der Präsident der Sozialdemokraten zum Beispiel, auch er ist, wir erinnern uns an Hugo Fasel, ein Freiburger, entpuppt sich dabei als gans besonders populistischer Politiker, der einfache und daher vermutlich untaugliche Lösungsvorschläge anpreist. Schliesslich läuft es bei den Sozialdemokraten angesichts ihrer Fokussierung auf die 'Realwirtschaft', die es vor den Auswirkungen der 'Finanzwirtschaft' zu schützen gälte, vermutlich auf eine Unterscheidung zwischen 'raffendem' und 'schaffendem' Kapital hinaus - strukturell antisemitisch motivierte Kapitalismuskritik nennt man sowas auch.

Zum ersten Teil des im Titel Hingewiesenen - des Systemfehlers des Kapitalismus - verweise ich auf einen Artikel zum Thema Finanzkrise aus marxistischer Sicht. In gewissen Punkten stimme ich mit dem Artikel nicht überein (so zum Beispiel bei folgender Textpassage: "Daß der kommende Untergang des Kapitals im Nervenzusammenbruch, als suizidaler Amoklauf einiger (viel zu weniger) seiner Funktionäre sich antizipiert: das ist gar nicht so übel – schade nur, daß die Charaktermasken des Kapitals in ihrer Mehrheit so empfindsam nicht sind, als daß man auf die Schirrmachers Ackermanns, Merkels hoffen dürfte." Dies ist starker Tobak..), aber er ist jedenfalls viel ehrlicher und kritischer als die übliche linke Empörungs-Kapitalismuskritik.

Inzwischen werden Bonuszahlungen an Manager ja bereits sogar vom FDP-Präsidenten Fulvio Pelli kritisiert. Vor einigen Jahren, anlässlich des Beispiels Mannesmann und der Millionenabfindungen, hatte Oskar Lafontaine, populistischer vermögender Co-Parteichef der Partei 'Die Linke', Manager noch als organisierte Kriminelle bezeichnet. Dazumals wurde er noch belächelt. Heute klingen die bitteren Klagen von sich selbst 'liberal' nennenden Politikern wenn nicht genau gleich, so doch zumindest sehr ähnlich. Dies scheint mir eine gefährliche Entwicklung zu sein.

Als Alternative zum momentanen Spätkapitalismus halte ich es nach wie vor wie die 'Initiative Sozialitisches Forum' im vorhin verlinkten Artikel: "Wir empfehlen die revolutionäre Selbst-Entwertung der Menschheit durch die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft, d.h. die Einheit der Vielen ohne Zwang. Das klingt hilflos und unpraktisch, ist es auch; aber es lügt nicht." Andere Konzepte wären aber auch ein anarcho-kapitalistisches oder ein libertäres System..

Zum dritten Teil des im Titel Angedeuteten verweise ich auf einen Artikel von Gerhard Schwarz (immer wieder er) zum Thema 'Steuerzahler' und wie er vor kurzem in den Medien emporstilisiert wurde.

Eric Hassli, Fussballgott!

Eric Hassli, Fussballgott!

(Leider habe ich es nicht geschafft, direkt auf das Video zu verlinken. Aber im verlinkten Artikel kann direkt unterhalb des Leads auf den Pfeil zum Abspielen der Zusammenfassung des Spiels FCZ gegen Aarau geklickt werden..)

Dienstag, 21. Oktober 2008

Rainald Goetz - ein Supertyp und -schriftsteller

Rainald Goetz, der schriftstellerische promovierte Historiker und Mediziner oder der historisierende und medizinierende Schriftsteller (ersteres im Roman 'Kontrolliert', zweiteres teilweise im Roman 'Rave') ist ein Supertyp und -schriftsteller..

Seine literarischen Fähigkeiten liess er gemäss Wikipedia bereits in seine Dissertation in Medizin einfliessen. So heisst es bei Wikipedia:

"In seinen Schriften nimmt Goetz immer wieder in abwertender Form auf die Alte Geschichte Bezug, die Entstehung seiner Dissertation schildert er in seinem Roman Kontrolliert, auch eine mögliche Karriere durch eine Assistentenstelle bei den Althistorikern erwähnt Goetz in seinen Schriften. Ende 1982 folgte die Promotion zum Dr. med. mit einer Arbeit über ein Thema der Jugendpsychiatrie. Neben der ersten Dissertation, die trotz des „trockenen“ und vor allem epigraphisch bearbeiteten Themas bereits literarische Ambitionen erkennen lässt, zeichnet sich auch die medizinische Doktorarbeit durch eine kaum verkennbare literarische Stilisierung aus. Zu nennen sind neben der provokativen "Danksagung" ("Dankanbruderundsoweiter") auch Versatzstücke innerhalb des Textes. Wo von abweichendem Verhalten von Kindern die Rede ist, kommentiert Goetz: "Punk Anarchie Okay."
(Quelle: Wikipedia)

Für Aufsehen sorgte er insbesondere 1983 beim Wettbewerb um den 'Ingeborg-Bachmann-Preis' in Klagenfurt, als er sich während seiner Lesung die Stirn aufritzte und sie blutüberströmt beendete (am Schluss des verlinkten Videos hört man für einen Augenblick noch den Opi MRR - der ja jüngst mit seiner pauschalisierenden Fernsehkritik von sich reden macht -, der damals in der Jury sass und der die Kunst von Goetz vermutlich als provozierend empfand..).

Link: Rainald Goetz ritzt sich die Stirn auf

Das war noch vor dem Rave-Zeitalter, als er die Subkultur des Punk literarisch stilisierte. Später schrieb er sodann über das urbane rastlose Lebensgefühl der Rave-Subkultur (vor allem in seinem Roman 'Rave'). In 'Rave' sind auch die folgenden brillanten Sätze zu finden:
"Aber noch absurder und kaputter als jede noch so schlimme Drogenkaputtheit war natürlich generelle Abstinenz. die prinzipielle, programmatisch zur Nüchternheit entschlossene Entscheidung, irgendetwas Böses ganz sicher nie und nicht zu nehmen, das war die Totalverblödung. irgendwelche Drogen nicht zu nehmen, und zwar aus Prinzip, ist das absolut Allerkaputteste, definitiv."
Über einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen wurden wohl kaum je solch poetische und wahre Worte verfasst.

Darüber hinaus ist vor kurzem in einer 'Spex'-Ausgabe ein Artikel über Rainald Goetz erschienen, dem ich folgendes, auch sehr wahres, Zitat entnehme:
'Im Umgang mit Menschen gibt es nur Verständnis, Rührung, Zartheit, Takt, Verstehen und noch mal Verstehen. Beim Urteil über Produkte hingegen, Öffentlichgemachtes, Platten, Bücher, Aufsätze, Kritiken, gibt es nur härteste Härte, Unverbindlichkeit, Masslosigkeit, Exekutionen, Massenexekutionen, Stalinismus."
Ein Supertyp und -schriftsteller also..

Montag, 20. Oktober 2008

Über Fische einwickeln und Zeitloses

Die 'Weltwoche' hat sich zwar in ihrer jüngsten Ausgabe vertan, denn schon als sie am Donnerstagmorgen letzter Wocher im Handel erhältlich war, konnte man sie höchstens noch zum Einwickeln von Fischen verwenden. Auf der Titelseite prangte die steile These "la crise n'existe pas". Darunter hiess es: "Finanzkrise: Die Schweiz gewinnt. Grosse Entkrampfung. UBS und CS wieder auf dem Vormarsch". Keine paar Stunden später wurde das in diesem Ausmass kaum für möglich gehaltene Hilfspaket des Bundes und der Schweizerischen Nationalbank zur Stützung der UBS bekannt gegeben.

Dass die 'Weltwoche' dennoch trotz lange vergangener Zeiten aktuelle Sachverhalte publiziert, wurde ein paar Wochen zuvor klar. In der Ausgabe 38/08 wurde ein Artikel veröffentlicht, der das Wirken der Achtundsechziger ähnlich kritisch wie Götz Aly, der ehemalige Achtundsechziger, deutet. So schält der Autor zum Beispiel die unsinnigen Widersprüche der angeblichen Marxisten heraus, die unter anderem antisemitische Diktatoren offen unterstützten und unterstützen, die - wie im Falle Daniel Vischers - nach wie vor offen dem antisemitischen Vernichtungswillen verpflichteten Mörderbanden ihre Sympathien versichern und die nicht zuletzt vielfach - trotz anderslautender Losung - Machos der unsympathischeren Art gewesen sind. Man mag zwar der sogenannten 'Neuen Linken' in gewissen gesellschaftlichen Bereichen durchaus zu Gute halten, dass sie verkrustete patriarchale Strukturen partiell aufgeweicht hat - doch in weiten Teilen war bei vielen Progressiven das Wenigste fortschrittlich.

Leider ist der Artikel nicht direkt verlinkbar, so dass ich ihn nun mittels copy & paste im Blog 'Höllensturz' wiedergebe.

"Die Achtundsechziger

Zwangsbefreiungen aller Art
Von Peter Keller

Gerne rühmen sich die Alt-68er für ihren noblen Kampf auf Seiten der Unterdrückten dieser Welt. Aber hinter dem Einsatz für die Frauenemanzipation oder die Befreiungsbewegungen verbarg sich oft eigennütziger Machismo, Diktatorenbewunderung oder notorischer Antisemitismus.

«Wir ficken mindestens zweimal am Tag, aber meistens dreimal oder viermal und im Sommer noch mehr.» Was hier klingt wie eine RTL-2-Reportage vom Pornodreh ist offenbar Alltag in der Lebens- und Produktionsgemeinschaft (LPG) im waadtländischen Villeret. Die Kommune hat sich ab 1975 ganz der Aktionsanalytischen Organisation, gegründet vom notorischen Wiener Aktionskünstler Otto Mühl, verschrieben: gemeinsamer Besitz und freie Sexualität statt Privateigentum und monogame Zweierbeziehung. «In der AA-Kommune schläft jedefrau mit jedermann.»

Ein seltsamer Zwang befällt die Achtundsechziger: der Zwang zur Befreiung. Völker, Nationen, Afrika, die ganze Welt soll «befreit» werden. Und nebenbei auch die Frau. Bei ihr geht es - so wenigstens vermittelt es der 68er-Vordenker Wilhelm Reich - vornehmlich um die sexuelle Befreiung. Kaum zufällig sind es Männer, die diesen Ansatz nicht ganz uneigennützig entwickeln.

Dank sexuell befreiter Frauen und der Pille können die Herren Revolutionäre auch ohne spätere Verpflichtungen drauflosvögeln. «Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment», hiess der ziemlich eindimensionale Imperativ. Marx liefert wie immer den gerade benötigten Unterbau: Alles Privateigentum muss weg, also wird auch die Frau als früheres «Eigentum des Mannes» mit kollektiviert. Freie Sexualität, aber verordnet. In der LPG Villeret bestimmt ein «Fickplan, wer wann mit wem darf - oder muss», schreibt focus, das zu dieser Zeit wichtigste Szenemagazin der Neuen Linken.

Emanzipation sieht anders aus, doch passt die Proletensprache zum RAF-Jargon, in dem Andreas Baader seine Mitstreiterinnen bevorzugt als «Fotzen» titulierte. Dass die Achtundsechziger den Frauen zur Gleichstellung verhalfen, gehört jedenfalls zu den hartnäckigsten Gründermythen. Christiane Brunner, ehemalige SP-Präsidentin und damals Studentin an der Universität Genf, hält lapidar fest: «Die Frauen hatten in den Organisationen der Achtundsechziger nichts zu sagen. Sie waren gut dafür, den Kaffee zu machen, und fürs Bett.»

Die marxistische Linke - und sie dominiert die politische Linie - sieht im Feminismus eine «Version des bürgerlichen Individualismus». Statt am Kampf der Klassen teilzunehmen, würden die Frauen ihn spalten, sich in einem «Nebenwiderspruch» verheddern. Therese Weiler, Vertreterin der Revolutionären Marxistischen Liga, betonte 1975 ihre Differenzen mit den Feministinnen: «Sie befürworten zuerst den Kampf gegen den Mann und erst dann den Kampf gegen den Kapitalismus! Es ist unserer Meinung nach sehr wichtig, dass Frau und Mann zusammen gegen den Kapitalismus kämpfen.»

Die Frauenemanzipation musste sich erst einmal von der Neuen Linken emanzipieren. Das bestätigt indirekt auch die Poch-Mitbegründerin und spätere Nationalrätin Ruth Mascarin: «In den Progressiven Organisationen hatte ich erfahren, dass wichtige Entscheidungen oft in einem von Männern dominierten Diskussionszirkel besprochen wurden, zu dem ich keinen Zugang hatte.»

Entwaffnend ehrlich illustriert ein focus-Inserat aus dem Jahr 1973 den linken Machismo: «Englische Popgruppe namens ’The Dudes’ sucht Groupies zwecks Ferien- bzw. Tournéeunterhaltung. Wer kommt mit nach Italien und Sardinien? Jede Antwort mit Bild wird beantwortet. Alles inbegriffen. Chiffre 43/7305.» All-inclusive-Ferien à la 68.

Der Ruf nach «Befreiung» beflügelt die Achtundsechziger wie nichts anderes. Da sich die Arbeiter in den westlichen Staaten weder mit Marx noch Mao befreien lassen wollen, verlagert sich der Kampf: Nicht mehr Arm gegen Reich in Europa lautet der Gegensatz, sondern der «imperialistische» Norden gegen die unterdrückten «Massen» der südlichen Halbkugel. Am marxistischen Wesen soll die Welt genesen. Davon ist auch Jean Ziegler, Autor des Buches «Marx, wir brauchen Dich», überzeugt.

Mittagsschlaf mit Jean Ziegler

Allerdings verstand es Ziegler, seine ganz persönliche sexuelle Befreiung mit der Befreiung der Dritten Welt zu verknüpfen. Der kleine Uno-Beamte im Kongo der sechziger Jahre hatte es auf die «ausladenden Hüften» und die «violett schimmernde schwarze Haut» von Thérèse abgesehen. So hiess Zieglers Bedienstete vom Stamm der Tutsi, und der Befreiungstheoretiker wusste gut, was Abhängigkeitsverhältnisse wert sind: «Ich fragte Thérèse, ob sie mir beim Mittagsschlaf Gesellschaft leisten wolle. Lachend nahm sie meinen Vorschlag an.» Ganz ähnliche «Vorschläge» gehörten sicher zum Repertoire jener weissen Kolonialherren, die Ziegler sonst tief verabscheut.

«Der Kleinbürger will alles, nur nicht Kleinbürger sein.» Es scheint, als ob Ziegler dieses böse Wort Enzensbergers höchstpersönlich einlösen wollte. Auf die Welt kam der spätere Professor 1934 in Thun. Der Vater wirkte als Amtsrichter im beschaulichen Interlaken.

Der geborene Kleinbürger Hans Ziegler sagt sich los und konvertiert gleich mehrfach: vom Protestantismus zum Katholizismus, von der deutschen Sprache zur französischen, von der väterlichen SVP zu den Sozialdemokraten, vom feurigen Antikommunisten zum feurigen Marxisten. Aus Hans wurde Jean, und Jean begab sich nach Paris, studierte und begegnete Ernesto Che Guevara, der ihm gemäss eigener Legende den revolutionären Weg wies: Hier, in der Schweiz, müsse er kämpfen. In dieser Sechziger-Jahre-Fantasie bleibt Ziegler stecken.

Che Guevara hat als Polit-Ikone überlebt. Mit Guerilla-Käppi und wilder Frisur. Völlig ausgeblendet wird dabei die stalinistische Prägung des in Argentinien geborenen Arztes: die tödlichen Revolutionsgerichte in Kuba, seine Vision des Neuen Menschen, der notfalls durch Umerziehung und Arbeitslager geformt werden muss. Im Terror sieht der Berufsrevolutionär einen «wertvollen Faktor» gegen die Vertreter der unterdrückenden Klasse.

In mehreren Schriften verfasste Guevara Anleitungen zum bewaffneten Kampf. «Die Guerilla muss alle Organe und Institutionen vernichten, auf die sich das alte Regime stützte.» Die Revolution spiele in der Geschichte die Rolle eines Geburtshelfers, glaubte Guevara. Sie wende nicht ohne Not Gewaltmassnahmen an, «aber sie wendet sie ohne Zögern jedes Mal an, wenn es nötig ist, um der Geburt zu Hilfe zu kommen». Töten als Geburtshilfe. Die Tugend des Terrors. Dschungel-Jakobiner mit der Kalaschnikow im Anschlag.

In seinem Buch «Gegen die Ordnung der Welt» würdigt Jean Ziegler 1986 ausdrücklich Guevaras «radikalen Humanismus». Was darunter konkret zu verstehen ist, zeigt die von Ziegler angeführte «Reihe von Führern», die er von Guevara inspiriert sieht und denen er «besonders tiefen Dank» schulde: etwa den «Führern» aus Kuba (seit 1959 unter Fidel Castro) und Libyen (seit 1969 unter dem Autokraten und Terror-Financier Gaddafi).

Ob denn ein Übergang zum Sozialismus ohne Bürgerkrieg möglich sei, wird Ziegler 1979 gefragt. «Ich möchte mit Jean Jaurès antworten: ’Unsere Gegengewalt wird immer nur so stark sein wie die Aggressionsgewalt unserer Feinde.’» Er weiss zu zitieren, der Professor für Soziologie - und er weiss, dass die RAF-Terroristen mit der gleichen Begründung ihren bewaffneten Kampf, ihre Mordtaten, ihre Sprengstoffanschläge rechtfertigten. Aber es geht um ein grösseres, höheres Ziel. Die sozialistische Revolution, schreibt Ziegler, sei eine soziale Revolution. «Die bürgerliche Staatsmacht soll gebrochen werden.»

Befreiungsschauplatz Palästina

Ziegler gibt zu, dass die von ihm hofierten Linksdiktaturen weder das allgemeine Wahlrecht kennen noch andere Parteien zulassen. «Andererseits haben Mozambique, Kuba, Angola, Guinea-Bissau und Kapverden [. . .] anderes und das besser realisiert als eine parlamentarische Demokratie: Sie schufen Staaten, erwarben die Souveränität, gaben ihrem Volk zu essen und brachten ihm die Freiheit.»

An guten Absichten hat es den Achtundsechzigern selten gemangelt. «Ich habe mir geschworen, nie mehr, nicht einmal rein zufällig, auf der Seite der Henker zu stehen», bekennt Jean Ziegler im Buch «Wie herrlich, Schweizer zu sein». Es war also kein Zufall, dass Ziegler den haitianischen Henker Jean-Bertrand Aristide zu seinen Freunden zählte und erst 2003 mit ihm brach. Da hatte sich der «Befreiungstheologe» Aristide schon längst reich geplündert und seine Privatmilizen wüten lassen.

Selbst für die der Hisbollah findet der Menschenrechtsexperte verständnisvolle Worte: «Ich weigere mich, die Hisbollah als Terrororganisation zu bezeichnen.» Sie sei für ihn eine «nationale Widerstandsbewegung». Eine «Widerstandsbewegung», die das Existenzrecht Israels kategorisch ablehnt. Oder anders gesagt: Zu den politischen Zielen der Hisbollah gehört die Ausradierung Israels von der Landkarte. Offenbar mit Zieglers Segen.

Ebenso wohlwollend bekannte sich der Genfer Uno-Funktionär zu Simbabwes Diktator Robert Mugabe, der im Jahr 2000 eine «Landreform» einleitete, bei der fast alle weissen Farmer enteignet wurden. Angewandter Marxismus plus schwarzer Rassismus. Ziegler begrüsste diese «Landreform» ausdrücklich: Dem welschen Wochenmagazin L’Hebdo (22. 08. 2002) sagte er, Mugabe habe «die Geschichte und die Moral auf seiner Seite». Ausserdem sei der ehemalige Lehrer und heutige Alleinherrscher weder ein Mobutu noch ein Idi Amin.

Wie so oft hält sich die Wirklichkeit nicht an Zieglers Vorgaben. Mugabe hat dieses Jahr die Wahlen mit Knüppeln und Gewehren für sich entschieden. Oppositionelle wurden verfolgt und getötet. Die Umverteilung von Grund und Boden stürzte die einstige Kornkammer Afrikas in ihre grösste ökonomische Krise: Hyperinflation und Zusammenbruch der Versorgung sind die Folgen.

Für die Würde des Menschen, so der frühere SP-Nationalrat noch im Juni 2008, sei die Reform nützlich gewesen, auch wenn der Staat nicht die Mittel gehabt habe, sie gut durchzuführen. Was zählt, ist der gute (marxistische) Wille. Während Mugabes sozialistische Reform Simbabwe ins Elend stürzte, amtete der Stehauf-Marxist Ziegler als Uno-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Da mag man nicht einmal mehr von Ironie der Geschichte sprechen.

Der Palästina-Konflikt bildet aber jenen Befreiungsschauplatz, der bis heute am erfolgreichsten bewirtschaftet wird. Was einmal am äussersten linken Rand begann, ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen: eine fundamentale Israel-Kritik. Als Klammer fungiert ein mehr oder weniger unterschwelliger Antisemitismus, der sich bloss ein «antizionistisches» Mäntelchen umlegte.

Als 1973 Ägypten und Syrien gemeinsam Israel überfallen - sinnigerweise am Versöhnungsfest Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag -, stellen sich die Progressiven Organisationen Schweiz (Poch) umgehend auf die Seite der Angreifer: «Die Poch erklären sich solidarisch mit dem Befreiungskampf der arabischen Völker und insbesondere mit dem des palästinensischen Volkes.» Dass die angestrebte Befreiung Palästinas die Vernichtung Israels bedeuten würde, kümmert die Poch wenig. Bis heute hält die Nationalcharta der PLO an der Zerstörung Israels fest.

Den israelischen Aussenminister Mosche Dayan erklärte die Poch-Zeitung 1977 zum «weltbekannten Terroristen». Die marxistische Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) dagegen zu einer «Bewegung des neuen Widerstandes». Leila Khaled, Mitglied der PFLP, wird 1975 als Frau beschrieben, die «durch Flugzeugentführungen bekannt» geworden sei. Als ob Flugzeugentführungen eine ausserolympische Sportdisziplin wären.

Ein Jahr darauf wird die PFLP eine Air-France-Maschine von Athen nach Entebbe entführen und die Passagiere einer Selektion unterziehen: Fluggäste mit israelischer Staatsangehörigkeit oder jüdisch klingenden Namen werden von den anderen Insassen getrennt. Marx und Mengele verbünden sich. 2001 lädt das 1.-Mai-Komitee der Stadt Zürich Khaled als Gastrednerin ein. Sie wird in der offiziellen Einladung als «streitbar, sympathisch und mit Charisma» beschrieben. Das Komitee, dem auch verschiedene Kreisparteien der Sozialdemokraten, die Juso und die Jungen Grünen angehören, verurteilt die «Polemik», die sich um die «zur ’Luftpiratin’ abgestempelten1.-Mai-Rednerin» entwickelt habe.

Henryk M. Broder hat in seinem Buch «Der ewige Antisemit» den Antizionismus von links messerscharf seziert. Der nationalsozialistische Judenmord habe das antisemitische Potenzial nicht abgebaut, sondern gesteigert, meint der deutsche Publizist. «Der ratlose umherirrende Antisemit sucht nach einer Rechtfertigung seiner Ressentiments.» Und findet sie im neugegründeten Israel. Auf diesen 34 000-km2-Staat lassen sich die eigenen Aggressionen bestens projizieren.

focus-Redaktor Bruno Gut spricht 1970 von einem «Fremdlingsstaat», den man «eingepflanzt» habe. Und bemüht damit antisemitische Stereotypen vom Juden als Schädling. Dann kommt George Habasch, Führer der PFLP, zu Wort: «Israel stellt einen wesentlichen Teil des Weltzionismus» und werde «dirigiert vom jüdischen Kapitalismus». Hier watet der gefeierte marxistische Palästinenserführer tief im Nazi-Jargon. Das Stürmer-Wort «Weltjudentum» wird zum «Weltzionismus» befördert - der Inhalt bleibt, nur die Verpackung ändert. Und focus, das Hausblatt der schweizerischen Neuen Linken, nennt dieses antisemitische Gebräu «eine Analyse, die Georges Habash [. . .] als eine theoretische Waffe im Befreiungskampf geschrieben hat».

AKW nein, Atombombe ja

In der Februar-Ausgabe der Poch-Zeitung 1976 feierte die marxistisch-leninistische Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) den 7. Jahrestag und begrüsste in ihrem Schreiben die Entstehung der Gesellschaft Schweiz-Palästina. Sie ruft alle ihre «Freunde auf, sich im Schosse dieser Gesellschaft zu organisieren». Zwei Jahre zuvor nahm die DFLP Schulkinder in einer israelischen Stadt gefangen. Durch die von den Geiselnehmern angelegten Sprengfallen kamen 21 Kinder ums Leben.

Zu den treusten Freunden der PLO (die DFLP gehört zu ihren Mitgliedern) zählt das Poch- Urgestein Daniel Vischer, der heute die Gesellschaft Schweiz-Palästina präsidiert. Auf der Website der Grünen Partei Zürich preist sich Vischer als AKW-Gegner der ersten Stunde. 2007 besuchte er auf Einladung den Iran und meinte darauf, es bestünden keine «einleuchtenden Argumente», diesem Staat das Recht auf Atombomben abzusprechen. Ausserdem hätten ihm iranische Gesprächspartner «einhellig» versichert, ihnen gehe es einzig «um die friedliche Nutzung der Atomkraft».

Einem demokratischen Rechtsstaat wie der Schweiz will Vischer die Atomkraft verbieten. In einem Land aber, das offen die Vernichtung Israels anstrebt, befürwortet er den Bau von AKWs. Da Israel eine illegale Bombe besitze, so der grüne «Friedenspolitiker» (Selbstbeschreibung), solle der Iran entsprechend aufrüsten dürfen. Für einen finalen Showdown im Heiligen Land. Wer seit vierzig Jahren Palästina mit einer solchen obsessiven Ausdauer «befreien» will, wie Vischer dies tut, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er, tief drinnen, Palästina in erster Linie von den Juden befreien will."

Max Horkheimer - ein Guter

Max Horkheimer, der Mitbegründer und früherer Direktor des Instituts für Sozialforschung - einer, wenn nicht die bedeudentste, Forschungsstätte für den wissenschaftlichen Marxismus - war ein Guter..:

"Ausserdem hatte Marx gar nicht gesehen, dass Freiheit und Gerechtigkeit dialektische Begriffe sind. Je mehr Freiheit, desto weniger Gerechtigkeit und je mehr Gerechtigkeit, desto weniger Freiheit." Aber seht bzw. hört selbst:



PS: Endlich habe ich gelernt, wie man youtube-Videos direkt in den Beitrag platzieren kann..

Sonntag, 19. Oktober 2008

Beni Thurnherr und die leider immer mangelhaftere Gesprächsführungskunst

Der geladene Gast vorhin im Sportpanorama unterschied sich zu den oftmals biederen und farblosen Randsportartsportlern angenehm (es handelt sich dabei nicht um Stéphane Lambiel, der zwar auch geladen war und der sich ebenfalls angenehm von den glamourfreien anderen Schweizer Sportlern unterscheidet). Kein Geringerer als Federer war als Gesprächspartner eingeladen worden. Als regelmässiger Sportpanorama-Zuschauer war dies natürlich ein ausserordentlicher Anlass. Trotz einigen humorfreien Bemerkungen Federers (oder zumindest: erstaunlich unlockerer Verärgerung über Medienberichte ob seinem Tief zu Beginn des Jahres 2008 bis und mit Wimbledon) habe ich auf genau diesen Gast relativ lange warten müssen. Und als er endlich auftritt, ist ausgerechnet Beni Thurnherr der Moderator. Erst siezt er Federer während des Gesprächs, dann sagt er ihm auf einmal 'du' - das Kurzzeitgedächtnis scheint nicht mehr so zu funktionieren, wie es sollte..Und dann erst der Gesprächsinhalt: Ich bin mir sicher, dass man mit Federer auch über andere Themen als über dessen Ernährung disktutieren könnte. Ein bisschen scheinheilige Medienkritik durfte ebenso wenig fehlen. Trotz der Feststellung, dass die 'Yellow Press' Federer Schritt für Schritt verfolgen würde, wollte er offenbar ein bisschen das Bedürfnis der Menschen nach Neuigkeiten aus dem Privatleben von Promis und Stars befriedigen, indem er auf das Thema Heiraten zu sprechen kam.

Daher: Beni Thurnherr soll bitte schön noch sein 'Benissimo' moderieren dürfen (und ab und zu auch mal ein 'Sport aktuell'), aber bitte nicht mehr mit den Top-Gästen reden..

Ein Lichtblick ist wenigstens, dass die Länderspiele inzwischen nicht mehr von Beni Thurnherr kommentiert werden (man erinnere sich nur an die abfälligen Kommentare über den Imperatör Fatih Terim - den Supertypen und Trainer der türkischen Nationalmannschaft - anlässlich der EM). Leider ist Sascha Ruefer bislang nicht viel besser..

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Über 'Soleil Noir' und deren eventuell verkürzten Perzeption in den Medien

Es mag wohl in der letzten Zeit der Eindruck entstanden sein, dass ich, wenn nicht direkt ein Mitglied, so doch zumindest ein Intermediär des in den Medien in die Nähe des Rechtsextremismus gerückten Vereins 'Soleil Noir' aus Lausanne sei. Dieser Eindruck ist, trotz den eventuell hilflos anmutenden Versuchen, zwar nicht für diesen Verein und seine Inhalte einzustehen, aber doch eine vorsichtig objektive Bewertung seines Tuns zu unternehmen, falsch. So teile ich zum Beispiel so gar nicht die (politische) Äusserunge des Vereins auf seiner Homepage - die globale Vereinheitlichung, "die grosse, fade Suppe des Multikulturalismus" abzulehnen. Dies steht meinem Ideal von einem friedlichen Mit- und Füreinander der Menschen unabhängig von Herkunft, Ethnie, Religion, Geschlecht etc. diametral entgegen. Vielfalt ist - freilich eingebunden in einen Wertekanon, der aufgrund seiner Tradition der Kritik und der Aufklärung dezidiert westlich zu sein hat - sehr erstrebenswert. Auch bringe ich dem Modell des Multikulturalismus bswp. US-amerikanischen Zuschnitts sehr viel Wohlwollen entgegen. Die diesbezügliche gesellschaftliche Vielfalt in der Schweiz, wo sich der Ausländeranteil an der Bevölkerung auf 21.3% beläuft, begrüsse ich.

Nichtsdestotrotz scheint mir eine kritische Betrachtung der Antifa-Aktion angebracht zu sein. Denn das Recht, die freie Meinung ohne Androhung oder Ausübung von (physischer) Gewalt auszuüben, scheint mir ein unverhandelbarer Wert einer aufgeklärten Gesellschaft zu sein. Dass diese liberale Tradition selbst freiheitsfeindliche Akteure zu Wort kommen lässt, ist dabei das Systemrisiko. Was tun? Die liberale Tradition der Schweiz, auch unliebsamen Gruppierungen das Recht auf freie Meinungsäusserung - sofern sie nicht strafrechtlich relevant ist und beispielsweise gegen die Antirassismusstrafnorm verstösst, zuzugestehen, scheint mir trotz des Risikos ein richtiger Ansatz zu sein (in der Schweiz sind als politische Organisationen nur die Kaida und die NSDAP verboten). Durch die Veröffentlichung von Argumenten, die nachweislich falsch sind, kann sich eine fragwürdige Gruppe vermutlich auf dem (politischen) Markt der Ideen kaum nachhaltig durchsetzen.

Das Problem scheint mir eher zu sein, dass das Nachleben faschistischer Tendenzen in der Demokratie bedrohlicher ist als faschistische Tendenzen gegen die Demokratie. So gesehen können vereinzelte Faschisten und/oder Nationalsozialisten zwar für Minderheiten eine reele Gefahr darstellen, was es zu verhindern gilt, doch aufgrund der Marginalisierung solcher rechtextremistischen Akteure besteht für die Demokratie (zur Zeit) keine ernsthafte Gefahr. Sollte sich dies ändern, so liegt es dann an den zuständigen Behörden, diese Gefahr abzuschwächen (ganz beseitigen lässt sie sich wohl nicht). Faschistische Tendenzen in der Demokratie, wie zum Beispiel die auch von Gewerkschaften wiederum vor dem Hintergrund der bilateralen Personenfreizügigkeit zwischen der EU und der Schweiz geschürten Ängste vor angeblichem Lohn- und Sozialdumping aufgrund der möglicherweise günstigeren Konkurrenz ausländischer Arbeitskräfte auf dem Schweizer Arbeitsmarkt oder die teilweise vorurteilbeladene Darstellung von Ausländern durch die wählerstärkste Partei der Schweiz, die SVP, sind potentiell hingegen um einiges gefährlicher, da sie eine gemeinschaftsbildende ideologische Kraft für das Einstehen für die 'Nation' befeuern können.

Diese Einsichten sind mir ein Anliegen, wenn es um die Deutung der antifaschistischen Aktion vom Samstag geht. Ich möchte keineswegs als Befürworter des Vereins 'Soleil Noir' sowie der Band erscheinen, trotzdem möchte ich versuchen, das meines Erachtens fragwürdige Vorgehen der Antifa kritisch zu beleuchten.

Aus diesem Grunde zitiere ich hier ein Communiqué, das 'Soleil Noir' auf ihrer nun offenbar doch nicht geschlossenen Seite geschalten hat:

"::COMMUNIQUE DE L'ASSOCIATION SOLEILNOIR::

Depuis sa création, SoleilNoir s'est toujours explicitement distancié de toute idéologie passée, présente ou future. Sa nature apolitique et strictement culturelle figure dans ses statuts. Aucun des membres de SoleilNoir n'a jamais eu aucune activité de nature politique ou idéologique. Nous avons a plusieurs reprise affirmé et réaffirmé notre mépris pour la chose politique, la nature strictement culturelle et musicale de nos intérêts et de nos activités, destinées à un petit cercle d'amateurs cultivés et non-violents. Celles-ci n'ont jamais donné lieu au moindre débordement de quelque nature que ce soit. La plupart des concerts par nous organisé se sont tenu dans un lieu dont le propriétaire est bien connu dans les milieux de la gauche antimilitariste et anarchiste. Celui-ci, pas davantage que nous-mêmes, n'aurait jamais toléré le moindre signe, livre, geste, etc., interdit dans ses murs. La musique que nous défendions à travers SoleilNoir est de nature essentiellement acoustique, contemplative, mélancolique, d'inspiration «folk», médiévale ou classique, ambiante et toujours mélodique. Elle ne saurait attirer un public de skinhead.

On nous reproche notamment l'utilisation d'un symbole connoté de par son association avec un régime. Sur notre site figure depuis le début une explication claire à ce sujet, encore reprise et développée par la suite:

«La roue solaire, sous ses différentes formes, est un symbole presque universellement répandu, dont l'origine se perd littéralement dans la nuit des temps… Le modèle que nous utilisons est le modèle le plus classique de fibule franco-alémane, dont des dizaines d'exemplaires ont été découverts par les archéologues. C'est précisément la raison pour laquelle il a également été marginalement utilisé par des groupes mystiques au début du siècle passé et jusque sous le IIIe Reich… Pour autant, deux décennies d'usage malheureux ne sauraient annihiler la valeur d'un signe sacré entre tous, qui mérite d'être réhabilité.»

Aujourd'hui, alors que nous-mêmes, le groupe Camerata Mediolanense et le bar «Elvis et Moi» avons été victimes d'une agression inqualifiable de la part d'un groupuscule d'extrémistes organisés et violents pour qui nous étions des cibles faciles, c'est nous qui nous retrouvons sur le banc des accusés, et sommes contraints de nous défendre et de nous justifier. La presse s'intéresse à nous, qui avons toujours agis à visage découvert parce que nous n'avons jamais rien eu à cacher, bien davantage qu'aux casseurs, qui demeurent introuvables et ne seront probablement jamais inquiétés. Elle justifie ainsi sans l'avouer les actes barbares qui se sont déroulés samedi soir à Fribourg. Elle donne raison et parachève l'œuvre de ces voyous, qui se voient confortés dans leur impunité. Nous n'aurions pas cédé devant la violence physique, mais nous ne pouvons tenir tête à la curée médiatique dont nous sommes victimes, dont les conséquences tant privées que professionnelles sont incalculables. Les casseurs peuvent jubiler, ils ont gagné.

La situation nous amène à nous poser quelques questions:

Pourquoi aucun/e des journalistes qui ces derniers jours ont consacré tant de lignes ou de temps d'antenne à SoleilNoir ne s'est intéressé d'un peu plus près aux milieu autonomistes bernois qui ont revendiqué l'attaque? Paresse, trouille, sympathie, un peu des trois?

Pourquoi le site web de SoleilNoir fait-il l'objet de tant d'intérêt, alors que personne, jamais, n'a jusqu'ici ne serait-ce que mentionné celui d'Indymedia, qui publie jour après jour les menaces et les communiqués triomphants des agresseurs?

Comment les affirmations péremptoires d'une source aussi clairement située politiquement que M. Hans Stutz, militant d'extrême-gauche mais systématiquement présenté dans les médias comme un observateur professionnel, neutre et fiable, peuvent-elles être prises pour paroles d'évangile, alors que toutes celles qui viendraient les contredire sont tout aussi systématiquement considérées avec suspicion, voire rejetées d'emblée? Comment par exemple est-il possible qu'aucun des nombreux journalistes à qui nous avons parlé ces derniers jours n'avait jamais fait l'effort d'écouter ne serait-ce qu'un seul morceau de Camerata Mediolanense?

Comment peut-on parler de «règlement de comptes» alors que nous n'avons jamais attaqué, ni physiquement ni verbalement, ni explicitement ni implicitement, ni appelé à la violence envers qui que ce soit?

Comment peut-on en arriver à détruire des individus en associant leurs noms au nazisme ou à l'extrémisme politique alors qu'ils s'en sont toujours explicitement distanciés?

Comment peut-on en arriver à ce qu'une victime de violence puisse se retrouver accusée de l'avoir «provoqué» par son «ambiguïté»?

Comment peut-on en arriver à une situation où il vaut mieux être violent, dans l'illégalité la plus complète, mais ouvertement d'extrême-gauche, plutôt que pacifiques, innocents de tout acte illicite, mais soupçonné de sympathies pour l'extrême-droite?

Qui sont les fachistes? Et qui sont leurs complices?

Dans quel monde vivons-nous??

S.N./14.10.08"

Quelle: 'Soleil Noir'

Dieses Communiqué kann man wohl miteinbeziehen zu einer möglichst objektiven Deutung der Vorkomnisse. Weiter darauf einzugehen habe ich jedoch nicht vor.

Zu Hans Stutz, dem Rechtextremismus-"Experten", der in den Medien zur Zeit zitiert wird, habe ich folgende Zitate gefunden, die auf dem Profil in seiner Funktion als Mitglied des Grossen Stadtrates von Luzern zu finden sind:

"Bürgerliche Sparpolitik führt zum Auseinanderklaffen der Gesellschaft: Doch der gesellschaftliche Reichtum wurde kollektiv erarbeitet und soll daher allen zu Gute kommen."

"Die Finanzpolitik der Stadt Luzern folgt weitgehend neoliberalen Hirngespinsten: Steuerwettbewerb statt Steuerharmonisierung, Sparen bei den Angestellten, Ausgabenbremse, etc.: Dies soll sich ändern."

Quelle: Grosser Stadtrat von Luzern

Dass diese Statements sagenhaft dämlich sind, brauche ich wohl nicht zu spezifizieren. Dennoch ist vor allem im ersten Zitat eine strukturelle Ähnlichkeit zum vorhin eingeführten (Post)Faschismus-Begriff nicht von der Hand zu weisen, in dem der Politiker Hans Stutz fordert, dass es um das Ganze geht, dass das Kollektiv vom gesellschaftlichen Reichtum zu profitieren habe (das dies zwar 'visionär' betrachtet ein nobles Anliegen ist, ist klar. Jedoch ist eine solche Verteilung von Reichtum im Kapitalismus wohl kaum möglich, dazu bedürfte es wohl bestenfalls einer Einforderung der uneingelösten Versprechen des Kapitalismus oder schlechtestenfalls einer Überwindung des Kapitalismus. Diese Widersprüche der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion des Systems Kapitalismus in freiwilliger Absicht gälte es also herauszukehren und nicht die Fokussierung auf fetischisierte Kapitalismuskritik, die an der Zirkulationssphäre ansetzt).

Der Politiker Hans Stutz ist also nicht davor gefeit, sich in gewichtigen Widersprüchen zu verheddern. Es ist daher durchaus denkbar, dass der Journalist Hans Stutz trotz seiner grundsätzlich notwendigen antifaschistischen Aufklärungsarbeit auch in der Bewertung der Gothic-Szene verkürzte bis eventuell sogar unzulässige Schlüsse zieht.

Was gibt's Neues von der Antifa?

Hierzu wiederum der Artikel aus den Freiburger Nachrichten (dieses Mal: mit einem "Experten für Rechtsextremismus"):

"«Ästhetisierung des Faschismus»

Der Überfall auf die Bar «Elvis et moi» wirft einige Fragen auf. Zum Beispiel, wer hinter dem Verein «Soleil Noir» steckt, dessen Konzert verhindert werden sollte.

REgula Saner

Am Samstag hatte eine Gruppe von Personen die Bar Elvis et moi in der Stadt Freiburg kurz und klein geschlagen, um - wie sie in einer Mitteilung behauptet - ein Konzert der rechtsextremen Dark-Wave-Band «Camerata Mediolanense» zu verhindern (siehe FN von gestern). Die Ermittlungen gegen die Täterschaft, laut Freiburger Kantonspolizei vermutlich Anhänger der linksextremen Szene, laufen immer noch. Konkrete Ergebnisse gab es am Montag aber noch keine, wie Polizeisprecher Hans Maradan auf Anfrage sagte. Gegenüber den Medien hatte sich am Sonntag eine antifaschistische Gruppe mit dem Namen «Kommando nazifreie Subkultur» zur Tat bekannt.

Im braunen Dunstkreis

Aber wer ist die Band Camerata Mediolanense, gegen welche sich die Tat richten sollte? Indymedia, ein unabhängiges Netzwerk von Journalisten, entstanden aus der globalisierungskritischen Bewegung, schreibt im Internet: «Wie bei fast allen Bands aus der rechtsextremen Dark-Wave-Szene ist auch bei der Camerata Mediolanense die faschistische Gesinnung nicht auf den ersten Blick zu erkennen.»

Gemäss dem Experten für Rechtsextremismus, Hans Stutz, wird die italienische Band jedoch im Buch «Ästhetische Mobilmachung. Dark-Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien», herausgegeben vom deutschen Journalisten Andreas Speit, erwähnt. Für ihn lassen sich zudem einige Schlüsse aus den Anlässen ziehen, bei welchen die Camerata Mediolanense auftritt. So habe er die Band selber bei einem Konzert im waadtländischen La Sarraz im Jahre 2001 erlebt. Dort seien Gruppen aufgetreten wie die faschistische Band Blutharsch, und an einem Stand wurden Bücher über den Wegbereiter des italienischen Faschismus, Julius Evola, angeboten.

Der geplante Auftritt der Camerata Mediolanense vom Samstag im Elvis et moi wurde von Soleil Noir organisiert. Soleil Noir ist ein Verein aus Lausanne, sein Präsident heisst Lars Kophal. Der Verein organisiert seit sieben Jahren Konzerte der Stilrichtung Neo Folk und Dark Folk. Obwohl sich die Gruppe auf ihrer Website als völlig apolitisch bezeichnet, lehnt sie die globale Vereinheitlichung, «die grosse, fade Suppe des Multikulturalismus», ab.

Laut Hans Stutz gehört Soleil Noir definitiv zu jenem Teil der Gothik-Szene, welcher rechtsextreme Inhalte aufgenommen hat, insbesondere vom italienischen Faschismus und von der rumänischen Eisernen Garde. Dark-Wave-Bands wie Death in June, Allerseelen oder Blutharsch, die zum rechten Lager zählen, gehören zum Konzertprogramm von Soleil Noir. Lars Kophal bestreitet, dass diese Bands rechtsextremes Gedankengut verwenden.

Von der Ästhetik angezogen

Valentine Jaquier, Inhaberin des Elvis et moi, will von alledem nichts wissen. «Wer mich kennt, weiss, dass ich keinerlei Sympathien für rechtsextremistisches Gedankengut habe», sagt sie gegenüber den FN. Sie sei komplett apolitisch. «Ich liebe den Gothik-Stil. Ich finde die Kleider und die Musik dieser Stilrichtung schön. Ich liebe auch den Dresscode.» Hans Stutz bestätigt: «Im Unterschied zu den dumpfbackenen Skins kommen die Leute der Gothik-Kreise sehr ästhetisch daher und wirken oder sind gebildet.» Aufgrund seiner Erfahrungen sagt er, dass es oft dieser Aspekt sei, der die Anhänger fasziniere.

Nur eine Minderheit der Gothik-Szene

Von rechtsextremistischem Gedankengut sei aber nur eine Minderheit der Gothik-Szene beeinflusst, betont Stutz: «Diese Minderheit betreibt eine Ästhetisierung des Faschismus, aber ohne ironische Untertöne.» Ihm sei im Weiteren wichtig zu sagen, dass die Mehrheit der Gothik-Szene sich leider sehr unkritisch mit der faschistisch beeinflussten Minderheit beschäftige."

Soso, der "Experte für Rechtsextremismus" scheint offenbar von seinem Untersuchungsgegenstand nicht viel zu verstehen. Er schreibt beispielsweise pauschalisierend von den "dumpfbackenen Skins", die verglichen mit den Leuten aus der Gothik-Szene ungebildet "wirken oder sind". Dass es auch antifaschistische Skinheads gibt, scheint er nicht für relevant zu halten. Ein "Experte" jedoch, der nur einen Teil der Wahrheit ausspricht, kann schlechterdings kaum als Experte gelten. Desweiteren glaubt der "Experte", dass die "Mehrheit der Gothik-Szene sich leider sehr unkritisch mit der faschistisch beeinflussten Minderheit beschäftige." Trotz allen Vorbehalten, die ich persönlich gegenüber der "Gothik-Szene" hege, glaube ich nicht, dass der Faschismus eines der drängendsten Probleme dieser Subkultur darstellt. Trotz zum Teil vorherrschenden ethnopluralistischen Denkstrukturen in der Subkultur, die ich radikal ablehne, ist es doch eher der fragwürdige Natur- und Kulturbegriff, der stossend wirkt. Ich denke, dass der Faschismuschic, so man den ästhetisierten Umgang mit faschistoider Symbolik denn so nennen möchte (und der schon verurteilenswürdig ist), tatsächlich wohl eher ein fetischisierter Distinktionsgewinn darstellt, der darüber hinaus das Motiv der Provokation zur Grundlage hat. Nicht, dass ich dies für eine angemessene Form der Selbstdarstellung und Kunst halten würde - eher im Gegenteil - doch die Ambiguität der subkulturellen Zeichen und Codes - die stets auch die Möglichkeit der Betonung des grundsätzlich Falschen beinhaltet - ist wohl nicht nur in der "Gothic-Szene" verbreitet.

Aus diesen Gründen bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass die unkritische und unüberlegte, jedoch offenbar optimal organsierte Aktion vom Samstag in Freiburg falsch gewesen ist.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Die FN über die Geschehnisse vom Samstagabend in der Bar 'Elvis et moi'

"Racheakt einer antifaschistischen Gruppe?

Am Samstag um 20.20 Uhr drang eine Gruppe von rund 30 vermummten und schwarz gekleideten Personen in die Bar «Elvis et moi» an der Murtengasse in Freiburg ein und verwüstete sie mit Schlag- und Baseballstöcken. Die Täter konnten fliehen und werden gesucht.

Arthur zurkinden, Kesseva Packiry, Aurélie Lebreau/La Liberté

13 Personen befanden sich im Moment des Überfalls in der Bar. Sie waren daran, die letzten Vorbereitungen für ein privates Konzert der Band «Camerata Mediolanense», organisiert vom Verein «Soleil noir», zu treffen. Es ging alles sehr schnell. Die Täter, die Schweizerdeutsch sprachen, verwüsteten alles, was ihnen in die Quere kam, vor allem auch die Instrumente. Die Personen in der Bar griffen sie jedoch nicht an. Beim Verlassen des Lokals warfen sie eine Tränengas-Rauch-Petarde ins Lokal.

Polizist leicht verletzt

Als die Täter flüchten wollten, traf eine Polizeipatrouille ein. Die Angreifer sprayten sogleich Tränengas in die Belüftung des Polizeiautos. Die Patrouille setzte ihrerseits Pfefferspray ein und konnte einen Angreifer festnehmen. Als dies die andern Täter sahen, griffen sie die Polizei erneut an. Es gelang ihnen dabei, ihren Kameraden zu befreien, bevor sie die Flucht ergriffen. Dabei sahen sich die Polizisten auch gezwungen, ihre Waffen zu ziehen, ohne aber einen Schuss abzugeben, dies zum eigenen Schutz. Bei der handgreiflichen Auseinandersetzung wurde ein Polizist an der Hand leicht verletzt.

Züge angehalten

Die Angreifer, die von der Wallriss-Strasse herkamen, ergriffen die Flucht via Pierre-Aeby- und Steinhauergässchen, wo sie Stöcke und Kleider hinterliessen, in Richtung Lausannegasse. Aufgrund dieser Ereignisse erliess die Polizei sofort einige Massnahmen. So wurde die Murtengasse gesperrt. Und die Züge ab Freiburg wurden bis 21 Uhr angehalten, bis eine Kontrolle aufgestellt werden konnte. Der Untersuchungsrichter Marc Bugnon hat eine Untersuchung wegen Aufstand, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Gewaltanwendung und Drohung gegen Polizisten eingeleitet. Rund 30 Polizisten wurden in der Folge aufgeboten, doch konnte niemand festgenommen werden. Der Sachschaden in der Bar «Elvis et moi» beläuft sich auf mehrere Zehntausend Franken.

Wer steckt dahinter?

Laut Polizei lassen die ersten Untersuchungen den Schluss zu, dass es sich bei der Täterschaft vermutlich um Anhänger der linksextremen Punk-Szene handelt. «Die Polizei zieht aber die These vor, dass es um eine Abrechnung zwischen den Tätern und des Vereins ‹Soleil noir› ging und glaubt nicht, dass es sich um einen ideologischen Kampf zwischen Anhängern von links- und rechtsextremen Gruppen gehandelt hat», schreibt die Polizei, wundert sich aber, wie minutiös die Aktion vorbereitet war.

Konzert rechtsextremer Band verhindert

Am späteren Sonntagnachmittag erhielten die FN ein Mail, das mit «Antifaschistische Aktion, Kommando nazifreie Subkultur», unterzeichnet war. «Konzert der rechtsextremen Band Camerata Mediolanense verhindert», betitelten die Antifaschisten ihre Mitteilung. «Mit einer direkten Aktion haben wir am Samstag einen Auftritt der rechtsextremen Dark-Wave-Band ‹Camerata Mediolanense› in Freiburg verhindert. Die Aktion richtete sich gezielt gegen die Musikinstrumente der ‹Kameradschaft Mailand› und gegen die Infrastruktur, die der Club ‹Elvis et moi› den Veranstaltern von ‹Soleil noir› zur Verfügung stellte. Vor unserem Abzug zündeten wir im mittlerweile gut durchlüfteten Club eine Tränengas-Rauch-Petarde.

Personen wurden bewusst nicht angegriffen oder verletzt. Einzig, als uns Polizisten mit Pfefferspray am Abzug hindern wollten und versuchten, einen Genossen zu verhaften, setzten wir unsererseits Pfefferspray ein, um die Polizei zurückzudrängen», hielten sie weiter fest und gaben sich in der Folge überzeugt, dass die Band Camerata Mediolanense zur braun-schwarzen Dark-Wave-Szene gehört. «In ihren Songs und ihrem Artwork verdichten die Akteure der rechten schwarzen Szene Metaphern und Mythen aus dem Spektrum der Konservativen Revolution und des Italienischen Faschismus», schreiben sie und fahren fort: «Es ist uns egal, welcher Subkultur sich Neonazis und Rechtsextreme zugehörig fühlen und wie sie ihre Propaganda verbreiten wollen. Wir werden sie immer und überall bekämpfen.»"

"«Elvis et moi»: 100 Gäste zum Konzert erwartet

Die Bar «Elvis et moi» hatte am Samstag ab 21 Uhr rund 100 Gäste für das Konzert von «Camerata Mediolanense» erwartet. «Ich glaubte, sie wollten uns töten», schildert Lars Kophal, Mitglied der Organisatoren, das Geschehen. Die 13 Personen brachten sich in Sicherheit, wie es gerade ging.

«Sie haben alles zerstört. Warum nur?», erklärt Valentine Jaquier, Besitzerin des Lokals. «Ich mache keine Politik, und mein Lokal ist weder der extremen Linken noch der extremen Rechten gewidmet», fährt sie fort. «Wir machen Musik, die der Barockoper nahe kommt, mit Folkrhythmus und martialisch. Das kann zweideutig sein und provozieren. Aber bei uns steht die Musik im Vordergrund», erklären die Bandmitglieder Daniela und Helena, die extra von Mailand hergereist waren. az"

Quelle Freiburger Nachrichten, 13. Oktober 2008

'Soleil Noir' schreibt auf ihrer offenbar inzwischen eingestellten Site:

"The Camerata Mediolanense concert has been cancelled because of an assault by a group of 30-40 armed and masked "black blocs" extremists. They have destroyed the club and instruments during the soundcheck. We're sorry and paralized. Obviously these brutes were completly ignorant of the Italian band activity, who play in fact cultured and neoclassic music, whitout any politycal intent!
These supposedly left-wing extremist terrorists proved to be unbelievably violent and dangerous and we hope, but doubt, police will eventually do something against them. This is unberable, we never saw such a high level of free violence, ever!

Thank you to the people that supported us that painful night, even if we couldn't offer them the concert.
We will use the money of the advanced entries to cover the damages and costs, we thank you for your understanding.

S.N.TEAM

SITE CLOSED"

Nun, so sehr antifaschistischer Widerstand und antifaschistische Aufklärungsarbeit sicherlich wichtig und unbestritten sind, so wenig kann ich in diesem Falle das äusserst militante Vorgehen der Antifa unterstützen. Nicht nur wurde mit dem 'Elvis et moi' eine nette Bar demoliert, sondern die Antifa masste sich auch an, als Polizist, Richter und Vollstrecker (nicht, dass ich die bürgerlichen Institutionen zur Durchsetzung von Law and Order in jedem Fall als das anzustrebende Ideal ansehen würde) in einem zu agieren und in absoluter Deutungshoheit über die Kunstfreiheit von einer vermutlich fragwürdigen ethnopluralistischen Neofolk-Musikgruppe (wenn überhaupt, denn offenbar war die Band kaum politisch, so heisst es denn auch zum Beispiel von den "Grufties gegen Rechts: Haltung gegenüber CM": "Zwar können wir in der wunderschönen Musik von Camerata Mediolanense keine faschistischen Aussagen feststellen, aber mit einer Band, die mit einer Nazi-Organisation kollaboriert und deren Anhänger öffentlich zu ihren Konzerten einlädt, möchten wir nichts zu tun haben." Dabei handelt es sich offenbar um ein Interview für Blood&Honour, das diese Band, die ich niemals hören möchte, jedoch zurückgezogen habe, nachdem sie erfahren hätten, wem sie ein Interview gegeben haben (offenbar sei es bei Blood&Honour Usus, öfters mal unter falschem Namen aufzutreten, um an Interviews zu gelangen) zu urteilen.

Dass man mit (überzeugten) Nazis nicht disktutieren kann, ist klar (gegebenenfalls darf man ihnen auch mal auf's Maul hauen). Jedoch wäre der Beweis noch zu erbringen, dass es sich bei dieser Band aus Milan um Faschisten und/oder Nationalsozialisten handeln soll. Dass eine Musikgruppe - die vermutlich zwar widerlich ist, jedoch weder eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, noch offenbar kaum faschistisch zu nennen ist - und deren Fans mit fragwürdiger Symbolik ("grossdeutscher Ästhetik") kokettieren, ist nun leider ein weit verbreitetes Ärgernis innerhalb der subkulturellen Szenen, wo unter anderem die (linke) Punk-Szene bisweilen mit ähnlich schlechtem Geschmack, zweideutigen Zeichen und Symbolen sich abzugrenzen versucht. Die Kulturstalinisten der Antifa würden eventuell besser einmal vor und innerhalb einem einem ihrer Hauptzentren, dem rechtsfreien Raum der Berner Reitschule, kehren bzw. sich dezidiert für die wenigen zulässigen Akte tätigen Antifaschismus - der US-geführten Befreiung des Irak von Saddam Husseins faschistoidem Terror-Regime und der nun sich im Gange befindlichen Implementierung einer demokratisch-freiheitlichen Ordnung sowie der legitimen israelischen (Militär-)Aktionen zur Wahrung der Sicherheit der israelischen Bürger vor antisemitischem Vernichtungswillen - aussprechen. Aber dass das Antifaschismus ist, verstehen die bauchlinken Antifas wohl kaum.

Eines nämlich ist gewiss: Gesinnungsfundamentaler Furor führt letztlich, auch wenn sich die 'Aktionen' gegen 'Sachen' und nicht gegen 'Menschen' richten, in die homogen gegliederte antimodernistische negative Kollektivität. Und dies kann und darf nicht das Ziel einer wie auch immer gearteten antifaschistischen Arbeit sein.

Sonntag, 12. Oktober 2008

antifa ohne fa

die antifa ohne fa hat mal wieder - dies ist in zeiten, in denen ihr die geschäftsgrundlage - der faschismus - wegzubrechen droht, einigermassen erstaunlich - für unerfreuliche neuigkeiten gesorgt: sie nehmen mal schnell eine grundsätzlich apolitische, bei den urbanen stadtfreiburgern doch recht angesagte bar in freiburg auseinander. in der erklärung der antifaschistischen aktion, kommando nazifreie subkultur, die sinnigerweise auf dem bauchlinken netzwerk indymedia veröffentlicht wurde, deren unabhängige 'medienaktivisten' sich auch schon harschen antisemitismusvorfwürfen und der physischen drohung gegen jüdinnen und nichtjüdinnen ausgesetzt sahen ("Im Unterschied zu dem, was Einzelnen aufgrund einer Klage wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetzt droht, geht vom Antisemitismus eine reelle Existenzbedrohung aus. Indem Indymedia und deren FreundInnen dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen, beweisen sie im besten Fall eine unglaubliche Unsensibilität gegenüber den Opfern der Shoah, und sind schon aus diesem Grund nicht als ‚die aufrechten VerfechterInnen des Antifaschismus' anzusehen, als die sie durch ihre FreundInnen nun dargestellt werde"), ist hingegen von einem akt tätigen antifaschismus die rede. dass die antifa ohne fa sich dabei als die eigentlich braunen horden entpuppt und auf fragwürdige art und weise privaten besitzt zerstört, kommt ihnen ob ihres fragwürdigen faschismusbegriffes nicht in den sinn. als ob ein paar besucher eines gothic-anlasses (sowie eine fragwürdige gothic-band), die zum teil "eigentlich bloss ihren fetisch ausleben wollen, ohne hintergedanken" (zitat von thedjsucks - eines beitragenden von indienet.ch) eine gefahr für die öffentliche ordnung darstellen würden oder als ob sie morgen die macht an sich reissen würden. das fragwürdige vorgehen der antifa ohne fa befeuerte eher das selbstverständnis der gothic-anhänger als unpolitische subkultur, die sich zwar in gewissen subgenres wie dem neofolk zwar bisweilen offenbar durchaus faschistoider symbolik zwecks distinktionsgewinn bedienen und zum teil auch fragwürdigen (evolutionären) konzepten anhängen, die strukturelle ähnlichkeiten zum faschismus oder gar zum nationalsozialismus aufweisen. fortschrittilicher antikapitalismus oder antifaschismus funktioniert jedenfalls anders. oder wie es schons, ein supertyp, in einer diskussion um einen thor steinar-shop in hamburg in einem anderen forum formulierte: "ja stimmt, wenn man eine aktionsform kritisiert und aufzeigt, dass solche aktionen außer der fundamentierung der eigenen identitären bauchlinken deppenposition und selbstvergewisserung nicht so wirklich was bringen, dann schaut man weg oder ist einfach nur dagegen. mensch, man muss doch was machen!"

die antifa ohne fa hat in ihrem wahnwitz die private party in einer okayen bar in freiburg vermutlich existenzialistisch gedeudet: die existenz geht der essenz voraus. die paar goth-subkultur-anhänger, die zum teil einen fragwürdigen naturbegriff pflegen und zum teil fragwürdige evolutionstheoretische konzepte reproduzieren, sind jedenfalls kaum eine gefahr durch ihre essenz, sie mussten wohl lediglich aufgrund ihrer existenz "bekämpft" werden.

Freitag, 10. Oktober 2008

Vicky Cristina Barcelona

'Vicky Cristina Barcelona', der neue Film von Woody Allen, dem früheren Meister des Klamauks und der Selbstironie, habe ich heute gesehen und für okay gehalten. Der verschroben-elitäre New Yorker Humor aus seinem Frühwerk hat ja seit der Renaissance des Woody Allens, deren Ursprung auf den äusserst gelungenen Film 'Match Point' zu datieren ist, einem eher ernsteren und eurozentristischen Filmschaffen Platz gemacht. Als Schauplatz dienen seither europäische Szenerien. Zu Beginn des Spätwerks ('Match Point', 'Scoop' sowie 'Cassandra's Dream') dominierte ja nach wie vor eine englische Szenerie. In seinem neuen Film nun, 'Vicky Cristina Barcelona', ist der Schauplatz auf die Iberische Halbinsel, genauer: nach Spanien, verlegt worden (also dorthin, wo die Tommies ihren Urlaub am liebsten verbringen..). Engländer erscheinen in diesem Film jedoch nicht, es sind vielmehr spanisch zu nennende Rollen, die den Film tragen (oder zumindest solche, die Woody Allen wohl für 'spanisch' hält). Die Hauptcharaktere sind meines Erachtens zu sehr einer vermutlich überkommenen Vorstellung von spanischem Temperament, Lebensgefühl und spanischer Leidenschaft entlehnt. Allen zeichnet ein Bild eines liebestollen spanischen Künstlers (Javier Bardem), der in seiner Rolle als Womanizer und sinnlich-malenden Bohemiens auch einem Groschenroman (oder eines Romans von Paulo Coelho (gut, das ist ja aber dasselbe..) entsprungen sein könnte. Jedoch scheinen die Klischees, wenn man die Konstellation des Films durch die Figuren denn so nennen möchte, ein Mittel zum Zweck zu sein, denn Allen scheint nach wie vor Spass daran zu haben, mit überkommenen Vorstellungen zu spielen und sie teilweise ad absurdum zu führen. Im Film gibt es einige gute Momente, die aufgrund des Zusammenspiels zwischen der gezeichneten spezifischen feurigen Männlichkeit (wenn nicht: Testosteron-fixierten Machohaftigkeit, in deren Zentrum die kreative kunstsinnige Freiheit steht) und der eher unterkühlten, rastlosen, auf der Suche nach dem Richtigen (Mann, z.B.) sich befindenden Weiblichkeit der Hauptprotagonistin (Cristina, gespielt von Scarlett Johansson) entstehen. Die grosse Stärke der Spätphase Woody Allens ist ja aber, dass er originelle, interessante und starke Frauenrollen zeichnet. So auch in diesem Film. Ursprünglich mit der Intention in den Film gegangen, mich an Allens neuer Muse, Scarlett Johansson, zu laben, wurde ebenjene Actrice, je länger der Film dauerte, von einer anderen Schauspielerin in den Hintergrund gerückt: Penélope Cruz (siehe untenstehendes Foto). Mit ihrem unerwarteten Auftauchen im Film erhält er eine ganz neue Dynamik. Die stärkste Rolle spielt, neben Vicky (eine andere Protagonistin, gespielt von Rebecca Hall), nun eine leidenschaftliche und impulsive Frau, die den schmalen Grat zwischen ästhetisierter Kunstsinnigkeit, feurig-heisser Leidenschaft, exzessiver Lebensfreude und todessehnsüchtiger Romantik begeht.

Besonders gefallen hat mir jedoch die sommerliche Atmosphäre des Films. Er wirkt in seiner das Licht optimal einfangenden Photographierung sehr leichtfüssig, er hinterlässt ein wonniges Gefühl von sommerlicher Restunbeschwertheit.

Freitag, 3. Oktober 2008

Na dann, weiterhin frohes Schaffen gegen den "Neoliberalismus"

Heute Freitag gibt der Freiburger CSP-Nationalrat Hugo Fasel sein Nationalratsmandat ab. In der regionalen Tageszeitung, den Freiburger Nachrichten, erschien zu diesem Behufe ein Interview (das leider nicht verlinkbar zu sein scheint) mit dem christlich-sozialen Gewerkschafter. Daher folgt nun das Interview hier:

"Mit dem Gewerkschafter Hugo Fasel, Gründer und Präsident von Travail.Suisse, verlässt ein Vollblutpolitiker das politische Parkett. Als Mitglied der Geschäftsprüfungskommission und bis zum heutigen Tag Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation erhielt er Einblick in wohlgehütete Geheimnisse des Staates. Sein Hauptengagement galt allerdings den Sozialwerken.

Dem Neoliberalismus die Stirn geboten

walter buchs

Seit dem 1. Oktober 2008 ist der 53-jährige CSP-Politiker Hugo Fasel, St. Ursen, Direktor der Caritas Schweiz. Heute tritt er als Nationalrat zurück, dem er nun 17 Jahre angehört hat.

Heute Freitag zum Abschluss der Herbstsession ist Ihr letzter Tag im Nationalrat. Welche Gefühle bewegen Sie beim Abschied vom Bundesbern?

Die grössten Emotionen zeigten sich, als ich bei der Wahl zum Caritas-Direktor im Februar die Entscheidung treffen musste, das Amt als Parlamentarier aufzugeben. Es war mir aber klar, dass ich nicht beide Aufgaben gleichzeitig ausüben kann. Die Belastung wäre zu gross.

Nach der Einarbeitungsphase in Luzern, die Anfang September begonnen hat, ist das Loslassen einfacher, und ich verlasse das Parlament recht gelassen.

Politische Debatten waren Ihre Leidenschaft. Was hat Ihnen am meisten Spass gemacht?

Ich würde eigentlich am liebsten noch 20 Jahre hier bleiben. Die Auseinandersetzung mit Zielsetzungen, für eine Idee einstehen, diese der Meinung anderer gegenüberstellen und dann Lösungen suchen: Das hat mich immer unglaublich fasziniert. Darauf zu verzichten, fällt mir am schwersten.

Bei der Caritas ist die Art der Kommunikation eine andere, aber keineswegs weniger spannend. Grundlegende Themen wie die Armut in der Schweiz und weltweit werden mich nun noch intensiver begleiten.

Was betrachten Sie als Ihre wichtigsten politischen Erfolge?

Nach 17 Jahren ist es ganz schwierig zu sagen, welches die wichtigsten waren. Ich schaue sowieso immer vorwärts und nicht zurück. Es kommen mir doch zwei, drei Dinge in den Sinn: Den schönsten Sieg, den ich erringen durfte, ist das schweizweit einheitliche Familienzulagengesetz.

Den Sonntag als Freiraum bewahren zu können, war für mich ebenfalls zentral. Als weiteren Erfolg darf ich den Einsatz gegen die Abwanderung der Post in Erinnerung rufen.
Zu erwähnen ist zudem das Umdenken in der Ökologie. Ich durfte zum Durchbruch für nachhaltiges Wirtschaften massgeblich beitragen, was mir namentlich zu Beginn auch viel Kritik eingebracht hatte. Die Klimaänderung zeigt aber, dass das Umdenken dringend nötig war.

Dem aufmerksamen Beobachter ist aber auch Ihr Einsatz gegen die Liberalisierung nicht entgangen!

Als ich vor fünf Jahren sagte, die Managerlöhne führten in die Katastrophe, wurde mir Neid vorgehalten. Meine Kritik von damals ist heute bittere Realität. Wir erleben im Moment auf den Finanzmärkten weltweit Absurditäten unglaublicher Dimensionen.

Jene, die immer gesagt haben, wir bräuchten bloss einen Nachtwächterstaat, müssen jetzt den Staat um Milliarden anflehen. Auch die Schweizer Nationalbank ist davon nicht ausgenommen. Das bezahlen wir nun alle über höhere Inflation, die nichts anderes bedeutet als Reallohneinbussen. Mit den Summen, die man heute in den USA und in Europa in die Finanzmärkte pumpt, könnte man die Armut weltweit zum Verschwinden bringen. Dafür hat man aber offensichtlich kein Geld.

Wenn ich jetzt das Bundeshaus verlasse, nehme ich die Absurdität dieser Entwicklung mit mir und bin gleichzeitig ein wenig stolz darauf, dass ich frühzeitig davor gewarnt habe. Ich habe den Pressionen der Neo-Liberalen nie nachgegeben.

Ohne Enttäuschungen lief Ihre Karriere sicher auch nicht ab?

Wer politisch überleben will, muss eine dicke Haut haben und eine grosse Fähigkeit, zu vergessen. Man muss lernen, mit Niederlagen umzugehen. In diesem Zusammenhang muss ich im Anschluss an das, was ich soeben gesagt habe, feststellen, dass wir es lange Zeit nicht geschafft haben, den neoliberalen Politikern die Stange zu halten.

Einige Forderungen, die seinerzeit im sog. Weissbuch der Wirtschaft und der Banken aufgelistet waren, haben leider Eingang gefunden in die Politik - mit der Erkenntnis heute, dass der Finanzmarkt die ganze soziale Marktwirtschaft zu zerstören droht. Das ist eine bittere Lektion.

Ihre Schwerpunktthemen waren zweifellos die Sozialwerke. Da hat sich in den vergangenen Jahren nicht gerade viel bewegt. Sie müssen also einiges unvollendet lassen!

Das ist so. Die Sozialwerke waren in den vergangenen 20 Jahren praktisch ununterbrochen unter Druck. Die AHV hat sich aber über alle Konjunkturzyklen hinweg bewährt, und wir mussten einen grossen Einsatz leisten, um deren Leistungen zu verteidigen. Wenn wir nachgegeben hätten, hätte Rentenalter 67 Einzug gehalten.

Bei der 2. Säule ist es uns gelungen, die «Renten-Klau-Debatte» auszulösen. Man konnte offenlegen, dass die grossen Versicherungskonzerne hunderte von Millionen in den eigenen Sack gewirtschaftet haben. Nun wurden sie zu mehr Transparenz gezwungen, das haben wir geschafft. Auch wenn ein Ausbau nicht möglich war, ist es uns gelungen, die Sozialwerke zu stabilisieren und - im Gegensatz zu anderen Ländern - die Leistungen zu erhalten, was ich bei mir als grossen Erfolg verbuchen darf.

Ab Ihrer zweiten Legislaturperiode haben Sie sich der Fraktion der Grünen angeschlossen. Waren Sie als Christlichsozialer dort gut aufgehoben?

Ich war in dieser Fraktion sehr gut aufgehoben. Man hat mir dort eine Art Autonomie zugestanden. In der Sozialpolitik konnte ich in der Fraktion eine Führungsrolle übernehmen und diese auch ins Parlament einbringen. Trotz gelegentlicher Spannungen, was völlig normal ist, hatte ich mit den Grünen ein faires und korrektes Verhältnis.

Wie beurteilen Sie heute die Stimmung im Parlament, wo offensichtlich Hahnenkämpfe und weniger Sachthemen im Vordergrund stehen?

Die parlamentarische Tätigkeit ist in letzter Zeit noch stärker mediatisiert worden. Wer seine Themen nicht in die Medien bringen kann, kann sie auch parlamentarisch nicht durchsetzen.

Das Klima ist wesentlich polarisierter und aggressiver geworden. Die Schweiz hat sich während vieler Jahrzehnte dadurch ausgezeichnet, dass sie über Themen streitet. Neu ist, dass man über Personen streitet und dass es nicht mehr um die Sache geht. Das ist einer konstruktiven, langfristigen Politik, welche die Schweiz lange geprägt hat, abträglich.

Welches werden die Folgen sein?

Die Konsequenz wird sein, dass man Lösungen auf die lange Bank schiebt. Solange man über Bundesrat Schmid diskutiert und nicht über das, was man kritisiert, nämlich dass die Armee keinen klaren Auftrag mehr hat, schiebt man genau diese Probleme auf die lange Bank. Rein personenbezogene Politik ist der Schweiz abträglich."

(Quelle: Freiburger Nachrichten vom 3. Oktober 2008)

Alles in allem nimmt 'Bundesbern' mit dem Verlust von Hugo Fasel also keinen allzu grossen Schaden hin. Dass sich der christlich-soziale Gewerkschafter, der sich den Einsatz für die 'Armen' und 'Schwachen' zum politischen Programm gemacht hat (in einem der reichsten Länder der Welt) und mit seinem weiteren Engagement bei Caritas dies weiterhin zu machen pflegt (für die Schwächsten und Ärmsten weltweit), in seinem Interview auch in Widersprüchen verheddert, ist kaum erstaunlich. Er kritisiert die zunehmende Mediatisierung der Politik, bei der die Person vielfach im Vordergrund steht und nicht mehr die jeweils konkreten Positionen, sicherlich zu Recht, scheint dabei aber zu vergessen, dass ausgerechnet er einer der Hauptverantwortlichen für diese Entwicklung ist. Soweit bekannt ist, war Hugo Fasel einer der treibenden Kräfte bei der Nicht-Wiederwahl Christoph Blochers als Bundesrat. Er hat also nicht konkret gegen die Politik Blochers opponiert, sondern gezielt ausschliesslich auf die Person des ihm nicht genehmen Justizministers gespielt. Eine Auseinandersetzung mit der Politik Blochers fand kaum statt.

Darüber hinaus scheint er Gespenster zu sehen, wenn er etwa meint, "neoliberalen Politikern die Stange" gehalten zu haben. Wen meint er damit wohl? Wo sind in der Schweiz neoliberale Politiker bzw. Denker eines Formats wie z.B. von Robert Kagan oder Francis Fukuyama (gut, es gibt da schon zwei, drei..)? Nein, der sogenannte "Neoliberalismus", wie er von Hugo Fasel verstanden wird, ist keine Gefahr, er ist vielmehr ein Segen. Wichtig wäre es allerdings, den 'richtigen' Neoliberalismus (denn es jedoch, nimmt man Adornos Bonmot "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" zur Grundlage, in dieser Form nicht gibt) zuerst weltweit zu implementieren, um mit den Kräften der Aufklärung - und nicht etwa wider - den friedlichen Übergang zum Libertarismus - oder zum Kommunismus antideutschen Zuschnitts - herbeizuführen..

"Adolf Achmadinedschad"

Die Weltwoche mit einem Artikel über den Auftritt vom Atom-Iraner Achmachmirdendschihad vor der UN-Vollversammlung, an der er - unter dem Beifall von einzelnen UN-Deppen - antisemitische Agitation betrieb.