Sonntag, 2. November 2008

Warum ich um des Distinktionsgewinnes willen nichts einzuwenden hätte, würde McCain und nicht Obama als nächster US-Präsident gewählt

Dieser Tage wird viel über Barack Obama gesprochen, sei es am linksliberalen Stammtisch qua Zeitungs-Mainstream (stellvertretend dafür ist das Boulevard-Blatt 'Sonntagsblick', das als Sonderfall betrachtet werden muss, da es nicht etwa ein Revolverblatt ist, wie man meinen sollte, sondern ein populistisches linksliberales Organ), sei es in der TV-Landschaft (bestes Beispiel das gebührenfinanzierte Schweizer Fernsehen) oder sei es aber auch auf der Strasse, wo sich die Schweizer - im Einklang mit der Weltbevölkerung - in überwältigendem Mehr für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Barack Obama, aussprechen (vgl. hierzu folgende "repräsentative Umfrage", die in der heutigen Ausgabe des Sonntagsblicks erschienen ist. Darin heisst es unter anderem: "Wie überall in Europa wird das Mega-Spektakel der US-Wahlen auch in der Schweiz als eher peinlich, oft gar als Demokratie-unwürdig empfunden. Doch vom Kandidaten Obama und seinen Versprechungen können die Menschen der Alten Welt nicht genug kriegen. Nach acht Jahren Bush-Regentschaft hängen sie an den Lippen des Demokraten, als sei er der lang erwartete Messias." Der latente Antiamerikanismus wird bei einem solch dämmlichen Abschnitt wieder einmal manifest. Weiter heisst es: "Nur die Georgier wünschen sich John McCain (72). Kein Wunder: Der Republikaner versprach während der Kaukasuskrise im Sommer, sie notfalls auch militärisch gegen Russland zu verteidigen." Was fällt den Georgiern denn ein, John McCain zu unterstützen? Die sollen gefälligst auch Barack Obama als "Messias" anhimmeln. Immer nur mit Gewalt Konflikte lösen, geht doch nicht. Obama würde die Russen sicherlich auf elegante Weise überzeugen können, sich doch bitte nicht mehr in georgische Angelegenheiten einzumischen).

Warum ist das so? Warum wollen "neun von zehn Schweizern" Barack Obama als nächsten Präsidenten? Das ist erklärungsbedürftig.

Es hängt vermutlich damit zusammen, dass das überwältigende, an die dazumals üblichen Zustimmungsraten von Saddam Hussein oder Fidel Castro erinnernde Mehr, das eher einer "Demokratie unwürdig" ist, eine Conditio sine qua non, also eine Bedingung, ohne die nicht, der Schweizer (und der Weltbevölkerung) im Verhältnis mit dem derzeitigen Präsidenten der USA, George Bush, ist. Seine Popularitätsraten sind, wenn sie überhaupt bestehen, sehr tief. Er wird für sehr viel Unheil auf der Welt verantwortlich gemacht, sei es für den Klimawandel, den er nicht energisch genug bekämpfe, sei es für den Terror, den der 'War on Terror' zusätzlich provoziert habe, sei es für die Wirtschaftskrise, die er als Gesicht des 'Neoliberalismus' wesentlich mitverursacht habe, sei es für die zunehmende soziale Polarisierung in den USA selbst, die er mit seiner 'unsozialen' Fiksalpolitik verursacht habe, sei es für den zunehmenden Antiamerikanismus, den seine Aussenpolitik verursache etc. pp. Zusammengefasst: George Bush sei ein unfähiger Präsident, der dem Ansehen der USA weltweit massiv geschadet habe und der mit seiner imperialen, auf die Erdölressourcen fokussierten Aussenpolitik und seinen kriegerischen Handlungen, polemisch zugespitzt, schlimmer sein müsse als Adolf Hitler.

Nun ist nicht zu leugnen, dass George Bush sicherlich einige Fehler gemacht hat, dass seine Agenda die Reproduktion der kapitalistischen Verhältnisse strukturell mehr gefestigt hat als gelockert. Dass er auch im von mir unterstützten und als notwendig erachteten 'War on Terror' taktische, aber auch strategische Fehler beging. Kurzum: George Bush (und mit ihm die ganze Administration) war nicht davor gefeit, Fehler zu begehen.

Unter der Bedingung, dass man hofft, der nächste Präsident der USA möge einige Fehler von Bush nicht wiederholen, ist ein Bedürfnis nach Wandel wohl nicht zu verübeln. Dies allein jedoch dürfte vermutlich nicht erklären, wieso 90% der Schweizer Barack Obama als Präsidenten wollen, vor allem auch vor dem Hintergrund nicht, dass auch Barack Obama wiederum Fehler machen wird, sollte er Präsident werden. Es muss also tiefer liegende Ursachen haben, mithin strukturelle Gründe, warum 90% - von denen, wie ich zu behaupten wage, vermutlich viele überhaupt keine Ahnung von US-Politik haben - einen unerfahrenen Politiker wie Barack Obama einem ausgewiesen erfahrenen Politiker wie John McCain vorziehen wollen.

Der Verdacht liegt nahe, dass es den 90% nicht wirklich um die US-Politik an sich geht, denn es ist plausibel, dass sich viele dieser 90% schnell wieder von ihrer Unterstützung für Barack Obama lossagen würden, sollte dieser, entgegen seiner Friedens- und Multilateralismusrhetorik im Wahlkampf, möglicherweise auch die Rolle als Commander-in-Chief wahrnehmen müssen und einen militärischen Angriff befehlen. Die Begeisterung für Barack Obama wäre also vermutlich keineswegs nachhaltig, bei erstbester Gelegenheit würde man Obama möglicherweise wieder als einen 'Ami' diskreditieren, der auch nicht besser sei als alle andere 'Ami'-Politiker. Dass solche Anhänger gefährlich sind, ist unbestreitbar. Denn genau sie neigen auch dazu, keinen langfristigen Kurs zu fahren, sondern immerzu zwischen den einem vorteilhaft scheinenden Positionen zu lavieren und bei Gelegenheit beispielsweise auch Geschäfte mit dem Mullah-Regime im Iran zu dulden.

Viele dieser 90% sind also vermutlich lediglich in ihrer Obamamania vereint, weil sie erstens befürchten, John Mc Cain würde die von ihnen verhasste Politik George Bushs weiterführen, weil sie zweitens momentan aus opportunen, der eigenen Friedenslogik entsprechenden Gründen und der eigenen Reputation zuliebe Barack Obama unterstützen und weil sie drittens, sozusagen als Synthese des bisher Vorgebrachten, notorische antiamerikanische Ressentiments haben.

Hierzu ein Zitat von Max Horkheimer aus dem Jahre 1967:

"Amerika hat, aus welchen Motiven auch immer, Europa von völliger Versklavung gerettet. Die Antwort ist heute überall, nicht bloß in Deutschland, eine weit verbreitete und tief gehende Amerika-Feindlichkeit. Über deren Ursache hat man sich schon viel den Kopf zerbrochen. Ressentiment, Neid, aber auch Fehler, die von der amerikanischen Regierung und ihren Bürgern gemacht werden, spielen eine Rolle. Überraschend ist der Umstand, dass überall dort, wo der Anti-Amerikanismus sich findet, auch der Antisemitismus sich breit macht. Die durch den Niedergang der Kultur bedingte allgemeine Malaise sucht nach einem Schuldigen, und aus den oben angedeuteten und anderen Gründen findet sie die Amerikaner und in Amerika selbst wieder die Juden, die angeblich Amerika beherrschen. Die Demagogen von rechts aber, bis zu einem gewissen Grad auch die von links, haben längst erkannt, dass sich hier ein fruchtbares Feld findet, und nützen die Lage in zunehmendem Maße aus."

Das Zitat verdeutlicht also, dass der Antiamerikanismus nicht erst seit der Präsidentschaft Bushs virulent ist, dass er im Gegenteil ein schon viel älteres Ressentiment ist, das zudem strukturelle Ähnlichkeiten zum Antisemitismus aufweist. Wenn also zur Zeit die USA einen international schlechten Ruf hat, so ist dies nicht allein darauf zurückzuführen, was die USA macht - oder auch unterlässt -, es ist dies vor allem Ausdruck davon, dass die 90% in der Schweiz (und mit ihnen auch ein grosser Teil der Weltbevölkerung) die Position der USA in der Welt als einzig verbliebene Supermacht nicht aufgrund von durchaus zu kritisierenden systemischen Unzulänglichkeiten bemängeln, sondern einzig und allein aufgrund einer "ablehnenden Haltung gegenüber der Politik und Kultur der USA" (also Antiamerikanismus als "den Vereinigten Staaten von Amerika, ihrer Bevölkerung, ihren Prinzipien oder ihrer Politik entgegengestellt oder feindlich gesinnt."). (Quelle: Wikipedia)

Aus diesen (und anderen, in diesem Beitrag nicht aufgeführten) Gründen würde ich, könnte ich wählen, meine Stimme John McCain geben. Ich würde mich damit - anders als die vielen Gegner der Moderne, ausgedrückt durch den Liberalismus amerikanischer Prägung -, nicht opportunistisch in die Mitte der Gesellschaft hineinbewegen, die zu grossen Teilen aus eigennützlichen Motiven heraus Barack Obama unterstützt und die bei erstbester Gelegenheit Barack Obama und die USA - und mit ihnen ihr Verbündeter Israel - zu grossen Teilen verlassen würden.

Keine Kommentare: