Montag, 11. August 2008

Summer Sonic 2008

Nein, heute handelt das Blog 'Höllensturz' ausnahmsweise einmal nicht von Israel. Im Fokus steht vielmehr das Summer Sonic, ein Musikfestival. Das Summer Sonic in der Nähe von Tokio (in Chiba) und Osaka ist ein zweitägiges Rock-Festival, an welchem die auftretenden Bands und KünstlerInnen jeweils an einem Tag in Osaka und am anderen in der Nähe von Tokio auftreten und vice versa.

Ich besuchte das Festival gestern Sonntag in der Nähe von Tokio (in Chiba). Tokio und Chiba gehen ineinander über. Während der Reise dorthin im JR-Zug konnte ich im übervollen Waggon, in dem die Menschen dicht aneinandergereiht standen, den fliessenden Übergang von der einen in die andere Stadt erkennen bzw. eben gerade nicht erkennen. Man nennt Tokio nicht zu Unrecht eine 'Metropolregion' (die grösste zudem des Erdballs, 35 Millionen Einwohner zählend, gemäss Wikipedia..).

In Chiba ankommend, stellte ich überraschend fest, dass das Festivalgelände kaum in einer Festival-typischen Umgebung stattfinden würde. Ich ging davon aus, dass es irgendwo in der Kantō-Ebene in der Metropolregion rund um Tokio einen nicht zubetonierten Ort geben würde, wo das Festival stattfinden würde. Dem war offenbar nicht so; denn das Gelände nahm sich aus, wie es sich für der Welt grössten Agglomeration wohl ziemt: viel Beton, wenig Grün sowie einige hohe Hoteltürme und Schnellstrassen mit viel Lärm in der näheren Umgebung. Also ziemlich gute Rahmenbedingungen für ein modernes, kosmopolitisches, urbanes Musikfestival. Die Hauptbühne lag schliesslich in einem Baseballstadion des ortsansässigen Baseballclubs, das 32'000 Zuschauer fasst (auf den Rängen). Das war nur auf den ersten Blick etwas irritierend; schnell wich die Verwunderung ob des ungewohnten Platzes der Main Stage einem Gefühl der Nachvollziehbarkeit. Im Baseball-verrückten Japan macht dies durchaus Sinn, da das Stadion sicherlich mindestens 50'000 Leute Platz bot und man dabei auf die bereits bestehende (gute) Infrastruktur zurückgreifen konnte. Ich staunte, wie die Menschenströme problemos von A nach B ziehen konnten. Die Nebenbühnen waren vom Hauptareal getrennt; sie lagen in einer riesigen Halle auf der anderen Strassenseite.

Für die reibungslose Organisation zeichneten offensichtlich auch die unzähligen Helfer verantwortlich. Der japanische Sinn für Ordentlichkeit und Sauberkeit kommt selbst an einem Rock-Festival zum Ausdruck. Die Pet-Flaschen wurden vom Staff an den Sammelstellen (!) gesammelt und ordentlich getrennt: Deckel, Flasche und Etikette wurden separat rezykliert. Auch standen überall Helfer zur Verfügung, um allfällige Fragen zu beantworten. Dass man kaum Abfall auf dem Festivalgelände sah, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht näher zu erläutern. Dies alles steht also zumindest ein bisschen im eklatanten Widerspruch zu einigen europäischen Musikfestivals, die irgendwo im Grünen stattfinden und wo zumeist ein regressiver Naturbegriff ('Harmonie mit der Natur' etc pp) der Besuchenden nicht abzustreiten ist. Beim Summer Sonic gehen Technik, Fortschritt, Party und gute Musik eine recht sympathische Symbiose ein.

Zum Festivalprogramm:

Das Programm am Sonntag war zwar nicht überragend, dennoch gab es einige Konzerte, die ich sehr gerne sehen mochte. Da war zum Beispiel der Auftritt von Vampire Weekend aus New York bereits um 12 Uhr im Stadion, der trotz der Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit sowie des Stadions und der diesbezüglichen Assoziationsketten ('Stadionrock', 'Breitbeinrock', 'Schweinerock') ziemlich super war. Die Band wirkte in ihrem Spielwitz und ihrer spätestens seit den Talking Heads auf weisse Hörgewohnheiten angepasste Zitierung des Afro-Beats überaus einnehmend. Der Keyboarder ist der coolste Musiker seit langem, den ich gesehen habe (siehe unten auf dem von der Festivalpage übernommenen Bild. Ich selber habe mit meinem Natel ein paar Videos gemacht, leider weiss ich zur Zeit nicht, wie ich diese allenfalls auf den Computer laden könnte..eventuell wird da noch was kommen oder dann halt auch nicht). Der Bassist hatte darüber hinaus einen Move drauf, für den Michael Jackson töten würde. Eine intelligente Band, die sehr gute Popmusik macht - das ist Vampire Weekend. Leider fand zeitgleich auf einer Nebenbühne das Konzert von MGMT statt - die hätte ich auch gerne gesehen.

Später sah ich mir dann ein bisschen das Konzert von den Super Furry Animals aus Wales an. War zwar nett, aber leider auch ein bisschen belanglos (gut, vielleicht liegt das auch eher an mir, da ich deren Musik halt kaum kenne). Jedoch kam auch dazu, dass beinahe zeitgleich Justice (Bild unten) aus Frankreich ihr Set hielten. Das, was ich gesehen und gehört habe, war ziemlich gut; die Besuchenden tobten. Die Japaner sind offensichtlich dem French House sehr zugeneigt (wie man bei ihnen überhaupt eine Frankreich-Liebe feststellen kann). Die Veranstaltung kam also praktisch einem Massen-Rave gleich. Leider konnte ich nicht bis zum Schluss des Konzertes bleiben, da ich (hauptsächlich der Freundin) wegen wieder ins Marines-Stadion zu Alicia Keys (sie kommt ebenfalls aus New York) ging.

Obwohl ich einige ihrer Songs durchaus schätze, hat mich das Konzert leider kaum interessiert. Zudem kenne ich von ihr halt nur so zirka die Videoclips zu den Singles in der Hitparade und neues Songmaterial, das ich noch nicht im Musik-Fernsehen gesehen habe, kenne ich deswegen nicht. Ich fand es ein bisschen schade, dass zu Beginn praktisch kaum Hits gespielt wurden. Die sparte sich Alicia Keys wohl bis zum Ende auf, das ich jedoch nicht mehr gesehen habe.

Beim Eindunkeln über Tokio war ich bereits wieder auf dem Weg in die Halle zu The Jesus & Mary Chain (siehe Bild unten), jene Band aus Schottland also, die den Sound von The Velvet Underground und Phil Spector in die Gegenwart übersetzt haben und die sich zwischenzeitlich aufgelöst hatten, inzwischen aber wiedervereinigt auf Tournee gehen (was vor dem Hintergrund gestiegener Gagen im Konzertwesen durchaus nachvollziehbar ist). Nun, ich erwatete von diesem Konzert eine Menge, handelt es sich doch bei dieser Band um eine von mir ziemlich geschätzte Musikgruppe (hauptsächlich des Albums 'Psychocandy' wegen). Diese Erwartungen wurden einigermassen erfüllt, dennoch war es nicht das grandiose Konzert, das ich erwartet habe. Die Band schien mir ihr Programm einigermassen zu routiniert abgespult zu haben und sie war auch nicht über Gebühr kommunikativ (letzteres ist zwar kein ernsthaftes Kriterium für ein gutes Konzert). Trotz diesen Kritikpunkten gefiel mir das Konzert dennoch, war doch in dieser (für meine Belange - wie beschrieben - zu routiniert vorgetragenen) Wall of Sound Freude der Musiker an der Musik herauszuhören.

Ein Nachteil des Festivals war, dass es nirgends Ohrenstöpsel gab - die nämlich vermisste ich spätestens bei The Jesus & Mary Chain schmerzlich..

Zeitgleich mit The Jesus & Mary Chain spielte noch Coldplay auf der Hauptbühne, die ich mir jedoch lediglich in der Halle auf einer Leinwand ein bisschen ansah. Danach war Schluss und die Menschenmasse strömte auf den Nachhauseweg - jedoch kaum mit Privatauto (wie an vielen europäischen Festivals), sondern, da wir uns ja in einem urbanen Raum befanden, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (Zug). Dementsprechend voll war der Zug, in dem ich etwas müde nach Ginza, Tokio zurück ins Hotel fuhr.

Edit: Auf youtube habe ich ein paar nette Videos gefunden..zuerst 3 Videos eines (ausgerechnet!) NME-Journalisten..

Video 1
Video 2
Video 3

Seinen Blog beim NME findent man hier: NME-Blog.

Und hier noch ein Video vom Auftriff von Vampire Weekend (das allerdings ziemlich lange Ladezeiten beansprucht, jedenfalls bei mir..)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zum gegebenen Zeitpunkt scheint es mir noch zu früh, einseitige Schuldzuweisungen für die Eskalation der Kriese zu unternehmen, da eben nicht bekannt ist, auf welcher Seite die ersten Schüsse gefallen sind. Angesichts der vermeintlichen Kriegsverbrechen beiderseits, würde ich desweitern mit Parteinahme ebenfalls zurückhaltend sei. So spricht Russland von Völkermord, was natürlich in erster Linie als propagandistischer Kraftausdruck zu werten ist, darüberhinaus wohl leider aber nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Das Russland mit ihrer Quasi-Okkupation von Südossetien und Abchasien, sowie dem Vormarsch in georgisches Gebiet, die territoriale Integrität des souveränen Staates Georgien verletzt, steht ebenso ausser Frage und die Frage der Verhältnismässigkeit drängt sich dabei unweigerlich auf. Das es den Russen in ersten Linie um geostrategische Interessen und nicht um hehre Ziele wie den Schutz der „eigenen Bevölkerung“ geht, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die voreilige Parteinahme wohl eher Ausdruck antirussischer Reflexe, als das Produkt dialektischer Abwägung ist.

Anonym hat gesagt…

Oops, das ist jetzt aber etwas deplatziert.

Antagonist hat gesagt…

Kasimir, vielen Dank für die Hinterlegung eines Kommentars. Dass dieses Blog überhaupt gelesen wird, erfreut mich - selbst wenn der Kommentar von meiner (pro-georgischen) Rezeption des Konflikts abweicht. Wohl nicht ganz zu unrecht wird mir vorgeworfen, dass meine Parteinahme zum gegebenen Zeitpunkt (und der ungesicherten Faktenlage) kaum als ausgewogen, geschweige denn als dialektisch gelten kann. Trotz dem berechtigten Einwand bleibe ich bei der im Artikel beschriebenen Auffassung des Konflikts. Antirussische Reflexe lassen sich jedoch schlechterdings in dieser Einschätzung nicht ausmachen, zumal ich noch vor kurzem ob dem russischen Wirtschaftsaufschwung (der freilich stark vom Boom bei den Rohwaren wie Erdöl und Erdgas abhängig ist) gestaunt habe, der einer breiten Bevölkerungsschicht Wohlstand gebracht hat (natürlich gab es bei diesem ökonomischen Prozess auch eine Akkumulation von Kapital in einigen wenigen Händen). Auch staunte ich ob der wirtschaftspolitischen Vernunft, in Russland auf die Idee Alvin Rabushkas zurückzugreifen und eine Flat Rate Tax einzuführen. Auch würde ich z.B. Viktor Vekselbergs Gastbeiträge in der NZZ, in denen er u.a. Schweizer Unternehmen ermuntert, in Russland zu investieren, zustimmen. Mein durchaus wohlwollendes Russland-Bild vor dem Georgien-Krieg hat durch das imperiale Gebahren Russlands gegen eine Demokratie, die sich vom grossen Bruder emanzipieren will, einige Kratzer erlitten.

Freilich stehen noch einige Unklarheiten über den Beginn des Konflikts im Raum, die einer Aufarbeitung harren. Saakaschwili hat vermutlich tatsächlich eher unüberlegt gehandelt und die georgischen Truppen dürften sich vermutlich in diesem Konflikt auch nicht gerade zimperlich verhalten haben (wie dies in den meisten (bewaffneten) Konflikten die Regel ist). Dazu verweise ich gerne auf einen anderen Kommentar aus der NZZ, den ich unterschreiben würde:

www.nzz.ch
/nachrichten/international/
hasardspiel_im_kaukasus_
1.802313.html

(Bitte alles als ein ungetrennter Begriff eintippen, die URL wurde hier deswegen getrennt, um die gesamte URL anzeigen zu können..)