Montag, 25. August 2008

Marathon

Im gestrigen Beitrag wurde es kurz erwähnt: Ich habe den Olympia-Marathon der Männer live im Fernsehen geschaut. Dieser Wettbewerb - eine Königsdisziplin der Leichtathletik und der Olympischen Spiele - übt seit einiger Zeit eine seltsame, unerklärliche Anziehungskraft auf mich aus. Am Ursprung dieses Interesses stehen vermutlich die Leistungen des zierlichen Marathonläufers Viktor Röthlin. Insbesondere der Schlussspurt an der Leichtathletik-WM 2007 in Osaka, der zum Gewinn einer Bronzemedaille führte, hat mich beeindruckt. Ob meinem schrittweise sich eingestellten Interesse für den Marathon gerät es ein wenig in Vergessenheit, dass ich Viktor Röthlin zu Beginn seiner Präsenz im Fernsehen eher als einen aufmerksamkeitsdefizitären Akteur einer uninteressanten Randsportart einstufte.

Tempora mutantur et nos mutamur in illis. So habe ich zum Beispiel erst kürzlich eine Rezension zu Haruki Murakamis neuem Buch, 'Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede', gelesen - und dabei wiederum festgestellt, dass das Laufen, sowohl in seiner professionellen als auch in seiner laienhaften Ausführung, einen unerklärlichen Reiz auf mich ausübt. Unerklärlich deshalb, weil ich nicht laufe, da mein Fitness-Stand einerseits sehr zu wünschen übrig lässt und es mir andererseits die Anstrengungen - körperliche als auch konditionelle - schlicht nicht wert sind. Ich vermute, dass das Laufen - insbesondere der Marathon - die Grenzen der menschlichen Anatomie und Physiologie teilweise fahrlässig ausreizt. Das Marathonlaufen ist paradoxerweise eine Verhöhnung der Rationalität unter den Kategorien der Rationalität - die Profiläufer bereiten sich jeweils akribisch auf ihre Läufe vor. So ist bekannt, dass Viktor Röthlin in seiner Vorbereitungsphase für Peking 2008 nichts dem Zufall überlassen hat, dass die Trainingsmethoden kühl-rationaler Provenienz gewesen sind. Die Vorbereitung auf die 42.195 km mag jeweils noch so optimal sein - am Schluss des Laufes sind die trainierten Körper, das Kapital der Athleten, oftmals nur noch Pamplemousse (ein schönes französisches Wort, dass den Zustand eines erschöpften Körpers irgendwie treffend beschreibt).

Nun, der Olympia-Marathon war ein grosser und spannender Lauf - die Kenyaner haben mit einer horrenden Pace das Feld früh gesprengt. Mit seinem 6. Rang hat Viktor Röthlin zwar sein erklärtes Ziel, den Gewinn einer Olympia-Medaille, verpasst, dennoch ist die von ihm erbrachte Leistung in diesem kompetitiven Feld hoch einzuschätzen. Als bester Europäer gewann er immerhin ein olympisches Diplom. Im Marathon vielleicht (noch) mehr als in anderen Wettbewerben kommt das olympische Motto im Coubertinschen Sinne - dabeisein ist alles - nachwievor zum Ausdruck (ob das jetzt erstrebenswert ist oder nicht, sei dahingestellt). Sowie die Läufer, viele am Ende ihrer Kräfte, das Ziel erreichen, kommt bei vielen unabhängig ihres Schlussranges ein Gefühl der Freude (und natürlich: der Erleichterung) auf. Angesichts der qualvollen 42.195 km, die man in einer unglaublich schnellen Zeit (durchschnittlich nur etwas mehr als 3 Minuten pro Kilometer!) absolviert hat, ist den Läufern die Freude über die Zielankunft nicht zu verübeln. Allerdings treffen nicht alle wohlerhalten im Ziel ein: So erbrach sich z.B. ein asiatischer Läufer unmittelbar nach der Ankunft auf die Kunststoffbahn..

Untenstehend ein Foto des verdienten Olympiasiegers, Samuel Wansiru aus Kenya:

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