Freitag, 12. September 2008

Freedom will ring forever

Die Terroranschläge des 11. Septembers haben sich zum 7. Mal gejährt. 9/11 hat sich in der Zwischenzeit als Sammelbegriff für das Grauen der Anschläge, als Chiffre, verselbstständigt. Die von Huntington geprägte These des 'Clash of Civilizations' mag man bisweilen für zugespitzt halten - am 11. September 2001 jedoch wurde dieser Gedanke - wenn auch eher im Sinne eines 'Clash of Civilizations Revisited' - nicht nur empirisch, sondern auch in einer mörderischen Beweisführung (teil)verifiziert.

Indes, die Anschläge, die von radikalen islamistischen Terroristen geplant und durchgeführt wurden, galten nicht nur, wie bereits Lizas Welt konstatierte, den Ideen von Freiheit, Demokratie, Emanzipation und dem individuellen Streben nach Glück, sondern sie richteten sich auch und vor allem gegen "konkrete Individuen" und nicht nur gegen "abstrakte Werte".

Die radikalen Islamisten verorteten zudem in New York nicht nur 'westliche' Werte, sondern und vor allem auch das 'Zentrum des Weltjudentums' und das 'jüdische Finanzkapital'. Diese Anschläge haben also nebst dem Antagonismus zwischen radikalem Islamismus und Liberalismus eine zutiefst antisemtische Grundierung (nebst den eindeutigen antisemitischen Motiven verweise ich auch auf das Stichwort 'raffendes Kapital').

Nebst der ideengeschichtlichen Auseinandersetzung findet 7 Jahre nach den Anschlägen von vielen Zeitgenossen (in den Medien: Zeitungen, Internet, Fernsehen) darüber hinaus eine gefährliche Erinnerungskultur statt, welche die offizielle Darstellungsweise von 9/11 bezweifelt. So habe ich vorhin auf ORF 1 eine 'Dokumentation' gesehen, die man getrost als verschwörungstheoretische Pseudowissenschaft qualifizieren kann. Das 'kritische' Schlusswort der Regisseurin lautete: "Geheimnisse bleiben nicht ewig Geheimnisse."

Eine kritische Haltung gegenüber Regierungen / dem Staat und seinen Institutionen ist nun zweifellos jederzeit angebracht, doch dieses Misstrauen gegenüber dem Staat darf gleichzeitig nicht bedeuten, dass man offizielle Rekonstruktionen von Ereignissen, die vielfach plausibel sind, in Frage stellt, wenn man parallel dazu auf zumeist fragwürdige Erklärungsmuster abstellt, die sich in den meisten Fällen aus einem Flickenteppich von Spekulationen, unglaubwürdigen und sich teils diametral widersprechenden Zeugenaussagen, wissenschaftlich nicht fundierten Analysen und anderen Unvollständigkeiten zusammensetzen. Zudem werden in den phänomenalen Szenarien, wie sie in 'Loose Change' und '9/11 Mysteries - Die Zerstörung des World Trade Centers' herbeiphantasiert werden, die offensichtlichsten Kausalitäten ausgeblendet, ganz so, als ob es Mohammed Atta und die anderen Terroristen nie gegeben hätte. Zugegeben, ich verstehe nicht viel von Physik und Statik, aber ich denke - und diese Einschätzung teilen viele Experten - dass zwei Passagierjets, die mit hoher Geschwindigkeit in Hochhäuser fliegen, dazu geeignet sind, diese Hochhäuser zum Einsturz zu bringen.

Diejenigen, die in widersprüchlichen Meldungen der Behörden und anderen angeblichen Ungereimtheiten angebliche Indizien über die 'wahren Hintergründe' von 9/11 vermuten wollen, die also unter anderem behaupten, dass die US-amerikanische Regierung die Anschläge inszeniert haben soll um wahlweise einen Krieg zu legitimieren oder um die 'Rüstungsindustrie' am Laufen zu halten, haben bis zum heutigen Zeitpunkt keine evidenten Beweise für ihre kruden Thesen liefern können. Auch ist nicht davon auszugehen, dass an solch einer gigantischen Verschwörung nebst der Regierung der USA auch unzählige andere Behörden und ihre Mitarbeitenden involviert sein sollen, die bis heute eisern schweigen ob ihres gelungenen Coups. Wer jemals die amerikanische Politik auch nur ansatzweise verfolgt hat, der dürfte festgestellt haben, dass der kleinste Skandal eines Politikers / einer Behörde relativ rasch an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. hierzu den jüngsten Skandal im US-Innenministerium).

Umso mehr nerven mich die Leser-Kommentare zu Beiträgen in renommierten Tageszeitungen wie der Neuen Zürcher Zeitung, wo die Mehrheit der Stimmen tatsächlich die Position vertritt, die 'wahren Hintergründe' seien bis heute noch nicht bekannt. Dass diese Verschwörungstheorien zumeist antisemitisch (und antiamerikanisch) motiviert sind, verdeutlicht folgender Leser-Beitrag:

"Einmal abgesehen von Verschwörungstheorien, hier 2 Fakten:

Einmal abgesehen von allen möglichen und unmöglichen Verschwörungstheorien, objektiven und subjektiven Eindrücken gibt es zwei Tatsachen (die Schlüsse kann jeder selbst daraus ziehen):
  1. In der Nähe der beiden Türme des WTC, verkleidet als Araber, führten ein paar Männer Freundentänz auf. Als die Polizei diese Verhaftete, stellt sich heraus, dass es sich um isr. Staatsbürger handelte, welche für die Scheinfima "Urban Moving Systems Inc. arbeiteten (Quellen gibt’s genug zum nachprüfen). Die US-Regierung zahlte dem CEO – jetzt geflüchtet – kurz vorher 500’000 $
  2. 11 Monate vor dem 9.11. plauderte N.Rockefeller mit dem Regisseur Aaron Russo (hat dies bestätigt) über Politik, z.B. dass ein kommendes Ereignis (er wusste zwar nicht was, nicht wann) das Weltgeschehen ändern wird und den Einmarsch nach AFG u. IRK erlauben würde."
Dass diese angeblichen "Fakten" vollkommen Panne sind, fällt dem guten Herrn wohl nicht einmal im Traum ein. Zum Glück gibt es bei NZZ-Online jedoch noch Frau Alexandra Hamilton, die mit praktisch jedem Kommentar die Wahrheit schreibt. So schreibt sie denn auch:

"Kritische Haltung gegenüber Regierungen, insbesondere der eigenen, ist schon nötig

Aber man muss aufpassen, dass man nicht die Bodenhaftung verliert und immer wirrere Theorien aufstellen muss, damit man die realen Fakten noch verstehen und einordnen kann. Das ist sehr schön im Film JFK von Oliver Stone dargestellt. Plötzlich wird jeder ein Mitglied der Verschwörung nur man selbst hat es richtig verstanden, das soll schon ansonsten sehr intelligenten und an sich normalen Menschen passiert sein."
Zum Schluss zitiere ich gerne die Worte, die ich anlässlich eines Besuches von Ground Zero im Jahre 2004 auf einem Geländer gelesen habe:

"Freedom will ring forever"

Das scheint mir, trotz der teilweise zweifelhaften Erinnerungskultur und des nach wie vor stattfindenden Widerstreits der Wertesysteme, ein hoffnungsvoller Gedanke zu sein.

Edit: Hier ist wie auf Bestellung ebenfalls ein Artikel zum Thema zu finden..

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