Samstag, 26. Juli 2008

barack obama in berlin

vor dem hintergrund des us-amerikanischen präsidentschaftswahlkampfes hier einige gedanken zur rede obamas in berlin:

das war, äh, nett - vielleicht ein etwas unausgewogenes verhältnis zwischen pathos und logos, das sich sichtlich und hörbar eher an ersterem orientierte. angesichts der fortschreitenden infantilisierung der bürger und des rückzugs des politischen aus dem öffentlichen war diese auch auf emotionen abzielende rede obamas sicherlich nicht überraschend.

komischerweise scheint das politische im öffentlichen gerade dadurch wieder an strahlkraft zu gewinnen, indem es die individualisierten leute in einem polit-event und also einer spätkapitalistischen form eines kategorischen imperativs freizeitlichen dauerspasses wieder zusammenführt. dasselbe phänomen, wenn auch unter anderen vorzeichen, kennt man seit 2006 ja auch vom rudelgucken beim fussball.

zur rede:

vor dem hintergrund berühmter reden von us-amerikanischen präsidenten in berlin, die ihren niederschlag in den zitierkanon der politischen bonmots gefunden haben, wird man wohl noch abwarten müssen, ob eine ähnliche zitat-resteverwertung von obamas berliner rede ausgehen wird.

es ist kaum verwunderlich, dass die emotionalen bekenntnisse zum multilateralismus und zur bündnistreue mit old europe beim deutschen und europäischen publikum gut angekommen sind. applaus brandete durch die menschenmassen auf der strasse des 17. junis als obama auf den irak-krieg zu sprechen kam, den es zu beenden gelte. ob dergleichen für die s
icherheit des iraks zuträglich ist?

auch wenig überraschend war die spürbare skepsis des publikums bei obamas zurückhaltend formulierter forderung, deutschland möge mehr soldaten nach afghanistan schicken und dort vor allem auch kampf- und nicht bloss aufbauarbeiten wahrnehmen. die europäischen friedensfreunde mit ausnahme grossbritanniens hören so was nicht gerne. hingegen stiessen die bekenntnisse zum schutz der umwelt auf ungeteilten zuspruch. darauf ein bisschen exkursiv eingehend, warum das so ist, ein zitat der publikation 'phase 2':

"Insbesondere Deutschland präsentiert sich dabei nach Außen wie nach Innen als fortschrittlich-ökologische Vorbildnation. Als Klimasünder Nr. 1 gelten dagegen spätestens seit ihrer Weigerung, sich dem Kyoto-Protokoll zu beugen, die USA. Es ist kaum zu übersehen, wie sehr Ökologie und Klimaschutz inzwischen zum moralischen Kapital in der Staatenkonkurrenz geworden sind. Ganz unabhängig von wissenschaftlichen Gutachten, dem Realitätswert von Katastrophenszenarien und der Einführung von Dosenpfand erweist sich der derzeitige Klimadiskurs dabei – wie zu erwarten – insbesondere als antiamerikanischer, der weit mehr auf dem Stereotyp von einer US-Wegwerf- und Fastfood-Gesellschaft beruht als auf einer wie auch immer gearteten ökologischen Faktenlage. So wird die Welt in der internationalen Standortkonkurrenz zunehmend in ökologisch besonnene Modernisierer wie Deutschland und unersättliche Klimasünder aufgeteilt, zu denen neben den USA oft auch China und aufsteigende Schwellenländer gerechnet werden. Die gemeinschaftsbildende ideologische Kraft der Sorge um die Umwelt ist eben groß, und unter dem »globalen« Projekt des Umweltschutzes schimmert, insbesondere in Deutschland, das nationale Projekt des »Heimatschutzes« bei gleichzeitiger Sicherung der eigenen Konkurrenzfähigkeit durch." (Phase 2)

alles in allem hat mir die rede obamas, wenn ich auch inhaltlich an manchen stellen nicht übereinstimmen würde, relativ gut gefallen. das charisma obamas und seine rhetorische begabung sind tatsächlich epochemachend. ich ertappte mich dabei, dass mich obama mit seinen emotionalen appellen einige male auch erreicht und erweicht hat ...

nichtsdestotrotz habe ich gewisse bedenken, wenn vermeintlich aufgeklärte bürger quasi gleichgeschaltet einen der leersten slogans ever gebetsmühlenartig wiederholen: "yes we can". zudem erscheint mir ein "change" um des "change" willen inhaltsleer zu sein.

ansonsten verweise ich gerne auf den schönen artikel von lizas welt über "Deutschlands Lieblingsamerikaner" (lizas welt).

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