Samstag, 26. Juli 2008

Die Grenzen der Wissenschaft

In der Neuen Zürcher Zeitung erschien in der heutigen Samstagsausgabe im International-Teil ein Artikel eines Wissenschafters über die Gefahr eines Militärschlages im Iran. Zuvorderst ein kurzer Hinweis auf den Background des Autors des zu besprechenden Artikels. Die NZZ schreibt: "Der Autor [Johannes Reissner] ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin." Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin, so ist auf Wikipedia nachzulesen, berät "in Fragen der Ausen- und Sicherheitspolitik" sowohl den "Bundestag als auch die Bundesregierung". Liest man den Artikel des Wissenschafters, so wird auch einigermassen die deutsche Iran-Politik nachvollziehbar ...

Im Artikel werden eindrücklich die Grenzen der Wissenschaft aufgezeigt, indem sich der Autor von fragwürdigen Prämissen leiten lässt. Er nimmt zum Beispiel bereits im Untertitel an, dass das "israelische Vormachtsstreben" ein "Hindernis bei der Suche nach [einem] Gleichgewicht" sei. Da fragt sich der kritische Leser: welches israelische Vormachtsstreben bitte schön? Meint er damit eventuell das nachvollziehbare israelische Sicherheitsbedürfnis und unstrittige Recht, sich notfalls auch bewaffnet gegen seine Feinde in deren Territorien zur Wehr zu setzen?

Jedenfalls scheint er etwas nicht verstanden zu haben, der Herr Wissenschafter: Der Kleinstaat Israel, umgeben von ihm feindlich gesinnten Regimen und Banden wie Hamas, Hisbollah etc., versucht in einer pluralistischen demokratischen Ordnung mit freier Presse, Gewaltenteilung etc. ein - so sehr es denn nach dem Zivilisationsbruch der Shoah möglich ist - normales Leben zu führen, das auch möglichst freundschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarn anstrebt. Ebenjene Nachbarn jedoch wollen offenbar keine (freundschaftlichen) Beziehungen zu Israel unterhalten, im Gegenteil; sie betrachten Israel, das zumindest hat der Herr Wissenschafter dann doch auch vermerkt, als "Krebsgeschwür", das es "auszurotten" gelte. Ob diese antisemitischen Vernichtungsphantasien letztlich 'lediglich' propagandistisch sind oder nicht - wie von Iran-Verstehern manchmal insinuiert wird - ist unerheblich. Es gilt, wenn nötig auch mit einem gezielten Präventivschlag der IDF oder der USAF, zu verhindern, dass die Scharfmacher über die dazu erforderlichen Mittel wie zum Beispiel eine Atombombe verfügen können.

Dass es dabei notwendig ist, dass die IDF zuweilen in fremdem Territorium Kampfeinsätze auszuführen haben, liegt in der Fragilität des israelischen Staatsgebildes begründet: Ein Krieg, der auf israelisches Territorium hineingetragen würde, kann sich Israel kaum leisten, denn dies würde bei einer allfälligen Niederlage dem Ende des jüdischen Staates Israel gleichkommen. Vor diesem Hintergrund ist also das sogenannte "israelische Vormachtsstreben" eine für den jüdischen Staat existenzielle Notwendigkeit.

Die Beschwichtigungspolitik in Bezug auf das iranische Nuklearprogramm seitens der EU und somit also auch Deutschlands, welches, wir erinnern uns, in aussenpolitischen Fragen von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beraten wird, hat sich hingegen als nachweislich untauglich erwiesen. Die Mullahs lachen sich ob soviel gutgemeinten Anreizprogrammen von Appeasement-Politikern doch in ihre Bärte.

Obwohl der Artikel nachweislich vollkommen Panne ist, so sind doch wenigstens bei den Leser-Kommentare einige erhellende Wortmeldungen zu lesen. So schreibt jemand bereits im ersten Kommentar Folgendes:
"Nahostwissenschaft - da gehört das kleine 1 x 1 dazu

Ws hier unter dem Titel "Wissenschaft" langfädig daherkommt, ist einseitige Propaganda. Wenn der Autor sich die Bilder von der Hisbollah-Hassdemo beim Gefangenenaustausch angesehen hätte und die Mentalitäten der arabischen Strasse auch nur ein wenig kennen würde, , wäre ihm bewusst geworden, dass ein 7.5 Millionen Staat in einer Umgebung von 300 Millionen Arabern und 80 Millionen Iranern nur durch militärische Stärke überleben kann. Das hat nichts mit Hegemonieanspruch zu tun. Mich wundert übigens, dass die NZZ so einen Nonsens überhaupt abdruckt."
Die üblichen Leser-Beiträge, die auch noch im letzten "wissenschaftlichen" Beitrag eine "vorzügliche Analyse" entdeckt zu haben meinen, fehlen dabei natürlich nicht. Sie sind jedoch, abgesehen vom Unterhaltungswert, zu vernachlässigen, da sie lediglich die vom Autor des Artikels aufgezeigten Grenzen der Wissenschaft - die unter anderem in wissenschaftlicher Voreingenommenheit und falschen Prämissen zum Vorschein kommen und also nicht Wissen und Aufklärung schaffen, sondern genau das Gegenteil davon bewirken - unkritisch affirmieren.

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