Mittwoch, 5. August 2009

Für immer Neocon, möcht' ich sein

Man muss dankbar sein, dass in der 'Welt' einige wenige aussenpolitisch versierte Journalisten (allen voran Clemens Wergin, Richard Herzinger, Hannes Stein und Alan Posener) am Wirken sind. Denn eine solche dezidierte Sprache, wie sie diese Journalisten pflegen, kommt in den meisten deutschsprachigen Tageszeitungen - seien es konservative oder progressive Blätter - ansonsten kaum zum Ausdruck. Beseelt vom europäischen Aufklärungswerk, dessen Waffe zuvörderst die Waffe der Kritik ist, schreiben sie wider die links-deutsche und old europe-typische moralisch-relativistische Ideologie an, die in vielen Blättern unter dem Label 'Kritik' Usus ist. Sie denken, dass das Erbe der europäischen Aufklärung nicht etwa von Old Europe bewahrt wird, sondern von den amerikanischen Neocons. Im Nachgang zu 9/11 haben die Neocons unter Bush das europäische Aufklärungsprojekt, das noch längst nicht abgeschlossen ist und das längst zu einem amerikanischen Projekt geworden ist, in das 21. Jahrhundert transformiert, in dem es gilt, die Aufklärung gegen die Feinde der Moderne zu verteidigen - notfalls nicht ausschliesslich mit der Waffe der Kritik, sondern ebenfalls mit den Waffen der US-Streitkräfte. Die Feinde der Aufklärung, der Moderne und des Westens sind dabei allen voran die islamistischen jihadistischen Mörderbanden (inklusive der sie finanziell, logistisch und ideologisch unterstütztenden islamischen Staaten) und die Gewalt- und Terrorreligion, in deren Namen sie Unschuldige (nicht zuletzt oftmals unschuldige Muslime selbst) töten: der Islam (südamerikanische linksfaschistische Diktaturen wie das Venezuela Hugo Chavez', das sich wie eine orientalische Diktatur gerierende Russland Putins oder die volks-kommunistische Diktatur China sind ebenfalls erwähnenswert). In diesem Zusammenhang erkennen die 'Welt'-Redakteure auch die bedingungslose Solidarität mit Israel, das der jihadistischen Mordbrennerei, die nebst ihrem antiamerikanischen Impetus immer auch von einem vernichtungsantisemitischen Wunsch determiniert ist, an vordester Front direkt ausgesetzt ist. Die Werte der europäischen Aufklärung - Freiheit, Gleicheit, Brüderlichkeit - werden indessen von Old Europe kaum mehr nicht Nachdruck vertreten. Die old europe-typische Beschwichtigungspolitik - sei es in der Innen- oder in der Aussenpolitik - wuchert allenthalben. Einzig die USA und Israel bieten den ärgsten Feinden der Aufklärung die Stirn.

Die Redaktion der Zeitschrift 'Bahamas' lobt infolgedessen die 'Welt'. Unter dem Titel "Stein des Anstoßes - Warum uns ein Welt-Redakteur auf einer antideutschen Konferenz willkommen ist" begründet sie, warum die konservative 'Welt' vielmehr als Kombattantin im gleichen (kommunistischen) Projekt gelten kann als angebliche Linke. Gemeinsamer Fluchtpunkt der 'Bahamas' und der 'Welt' ist das Aufklärungsprojekt, dem sie sich beide verpflichtet fühlen - wobei bei letzterer das Projekt erstens sicherlich nicht unter einem kommunistischen Fixstern steht und es zweitens innerhalb des Widerstreits zwischen "Konformistischen-Konservativen" und "wahren Konservativen" (Zitat: 'Bahamas') nicht unumstritten ist. Die einschlägigsten Äusserungen der 'Bahamas' zum Wirken einiger Welt-Journalisten seien hier aufgeführt:

"Es macht die Lektüre der Tageszeitung „Die Welt“ derzeit und wohl auch noch eine ganze Weile so interessant, weil sich hier tagtäglich verfolgen läßt, an welchen Fragen und wie die Konformistischen-Konservativen und die wahren Konservativen sich voneinander wegbewegen. Sicherlich – die „Welt“ ist, als ein Produkt der Springer-Presse, einerseits als ganze eine der wenigen deutschen Tageszeitungen, die eine sachlich angemessene Berichterstattung zu Israel und der US-Politik bringen; andererseits finden sich insbesondere auf dem Gebiet der Innenpolitik und im Feuilleton gehäuft Einlassungen jener konformistisch-konservativen, nach allgemeiner Mobilmachung förmlich gierenden Provenienz, die durchweg geeignet ist, der USA- und Israelsolidarität sachlich die Grundlage zu entziehen, weshalb man bisweilen den Eindruck hat, daß – Springer sei Dank – nur das Redaktionsstatut bislang Schlimmeres verhindert hat.

Umso bewundernswerter ist vor diesem Hintergrund das, was Redakteure wie etwa Mariam Lau und Alan Posener in der „Welt“ leisten – deren Artikel werden aber regelmäßig immer noch übertroffen von den scharf durchdachten, polemisch treffsicheren und sachlich lehrreichen Artikeln des Redakteurs Hannes Stein. Bei den besten seiner Arbeiten hat man bisweilen den Eindruck, als wäre der Geist des leider viel zu früh verstorbenen Eike Geisel in die Redaktionsstube der „Welt“ gefahren und habe sich des Redakteurs Stein bemächtigt, so trefflich führt dieser die Waffen der Kritik, wobei er nichts und niemanden schont, also mit einer Unverblümtheit zu Werke geht, die für einen Konservativen erstaunlich ist und sich auch im Umfeld der „Welt“ exzeptionell ausnimmt: der Deutschen liebste Weltorganisation beispielsweise bezeichnet er ohne viel Federlesens als eine „ehrenwerte Gesellschaft“, wie auch die Mafia eine sei, denn auch die sei von edlen Idealen geleitet, nennt sie mithin eine „Organisation, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, über den Staat der Juden zu Gericht zu sitzen“; über die Europäer und deren aktuelle Rolle in der Weltpolitik heißt es an anderer Stelle: „Sie haben den islamischen Terroristen ein sicheres Hinterland geboten, von dem aus sie operieren konnten; die Polizei hat geduldet, daß sie hetzten und neue Attentäter warben, solange sie ihre Anschläge anderswo verübten. Gleichzeitig haben namhafte europäische Intellektuelle den jüdischen Staat systematisch delegitimiert“ und zieht mit sarkastischem Witz eine Bilanz, in der der professionelle Trauerarbeits- und Bewältigungskitsch als Einstimmung auf die Barbarei sein Fett ordentlich wegbekommt: „Das Signal war deutlich. Es wurde in der arabischen Welt auch sofort verstanden: Europa wird Israel, wenn es darauf ankommt, nicht als seine Bastion betrachten. Wenn der Atompilz über Tel Aviv aufgegangen ist, wird man den Israelis zweifellos Monumente errichten und in geschmackvoll eingerichteten Museen ihrer Kulturleistungen gedenken.“ Kurz vor Beginn des Krieges gegen den Irak publizierte Stein im Feuilleton der „Welt“ einen Text mit dem Titel „Sechs Gründe für diesen Krieg“, eine Polemik gegen die „nationalpazifistische Volksgemeinschaft und den Papst“, die in ihrer beißenden, aber dabei völlig unaufgeregten Diktion verdeutlichte, wie einfach derzeit die Dinge weltpolitisch liegen, wenn man zwei und zwei noch zusammenzählen kann und welche Verbissenheit umgekehrt dazugehört, sich wie die Deutschen und die Mehrheit der europäischen Bevölkerungen gegen die einfachsten Vernunftgründe zu sperren. Dieser Artikel von Stein ist der wohl beste, der zum Irak-Krieg in der bürgerlichen Presse erschienen ist; gäbe es den antideutsch-kommunistischen kollektiven Kritiker – er hätte genau diesen Text, von einer kruden Passage mal abgesehen, verfassen müssen.

(...) jedenfalls ist gerade antideutschen Materialisten noch mit den Irrtümern des Antikommunisten Hannes Stein mehr gedient als mit den faden und erbaulichen Wahrheiten irgendwelcher korrekter Linker und daher lohnt es sich ungleich mehr, mit einem ausgewiesenen und intelligenten konservativen Autoren zu streiten als mit irgendwelchen abgehalfterten Polit-Mumien. Das ist, wie einige Schlaumeier nun mutmaßen werden, keine „Real-“ oder „Bündnispolitik“ – wohl aber der Versuch, wie er auf der Konferenz zugegebenermaßen noch nicht richtig gelungen ist, einen Streit zwischen Leuten zu führen, die wie Hannes Stein und der Vorbereitungskreis sich ungleich mehr zu sagen haben als etwa der Vorbereitungskreis und die Linken."

Vor diesem Hintergrund ist denn auch die neueste Analyse eines Welt-Journalisten zu lesen: Richard Herzinger analysiert, warum die theokratische Diktatur Iran - trotz des im Westen nach wie vor weit verbreiteten Glaubens an eine Reformierung des Systems von innen etwa durch die 'Opposition' - noch lange nicht am Ende ist. Den naiven europäischen und mittlerweile offenbar auch amerikanischen Politikern an der Macht, die längst der Losung "Je Hardliner, desto Dialog" (Zitat: 'Lizas Welt') verfallen sind, seien etwa folgende Bemerkungen Herzingers ins Stammbuch geschrieben:

"Die Hoffnung, die der Westen in die Opposition setzte, ist längst zur Ausrede für Leisetreterei gegenüber Teheran geworden.

(...) Mit Mahmud Ahmadinedschads heutiger Vereidigung für seine zweite Amtszeit als iranischer Präsident sollten die Blütenträume von einem baldigen Wandel im Iran endgültig geplatzt sein. Zwar hält der Protest gegen die offensichtliche Wahlfälschung an, und fast täglich hört man von kritischen Einsprüchen gegen die brutale Unterdrückung der Oppositionsbewegung durch das Regime, die aus den Reihen des Establishments der islamischen Republik selbst kommen.

Doch wer diesen kritischen Stimmen zu viel Gewicht beimisst oder darin gar ein Indiz für die wachsende Instabilität des islamistischen Herrschaftssystems erkennen will, gibt sich Wunschdenken hin und unterschätzt die Zählebigkeit des Teheraner Regimes. Sowohl der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mussawi als auch Ahmadinedschads Gegenspieler Akbar Schah Rafsandschani sowie der als „Reformpräsident“ gescheiterte Mohammed Chatami, die derzeit als Hoffnungsträger der Opposition gelten, sind Männer des Systems und haben kein Interesse an einem grundlegenden Umsturz der theokratischen Ordnung der Islamischen Republik.

(...) Wer mit dem „Reformflügel“ innerhalb der theokratischen Nomenklatura jedoch ernsthafte Erwartungen in eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran verbindet, lässt sich von den Scheingefechten blenden, die innerhalb des theokratischen Regimes seit Jahr und Tag aufgeführt werden, ohne dass es zu einer Erschütterung des brutalen Unterdrückungssystems gekommen wäre. Auch jetzt setzen die „Hardliner“, ungerührt von allen Einwänden der Reformer, ihre nackte Gewaltherrschaft ungerührt fort. Der aktuelle Schauprozess gegen 100 Oppositionelle, denen die Todesstrafe droht, spricht allen Wunschvorstellungen Hohn, nach denen „Revolutionsführer“ Chamenei und sei Günstling Ahmadinedschad angesichts der Massenproteste im Lande zu Zugeständnissen und Kompromissen gezwungen sein würden.

Weder steht es in der Macht noch entspricht es dem Willen der „Reformer“, dieses auf diverse mörderische Repressionapparate wie die Revolutionsgarden und die Basidsch-Milizen gestützte Unterdrückungssystem ernsthaft zu erschüttern. Prinzipiell handelt es sich bei den Unstimmigkeiten innerhalb des Establishment nicht um die Auseinandersetzung über zwei alternative Gesellschaftsentwürfe, sondern um Positionskämpfe um Macht und Einfluss innerhalb des herrschenden Machtapparrats, den „Hardliner“ und Gemäßigte“ gleichermaßen erhalten wollen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass im Falle einer Machtübernahme durch den „gemäßigten“ Flügel eine gesellschaftliche Dynamik in Gang gesetzt werden könnte, die den Rahmen der bestehenden Herrschaftsstrukturen sprengen würde. Doch konkrete, reale Anzeichen gibt es weder für das eine, noch schon gar für das andere.

(...) Das Teheraner Regime mag somit seinen Zenit vor Augen haben, erreicht oder gar überschritten hat es ihn noch lange nicht. Der Westen muss zunächst mit einem noch aggressiveren und selbstsichereren Auftreten des Iran in der Weltpolitik rechnen. Und makabererweise trägt die iranische Opposition ungewollt noch dazu bei, dass den Herrschenden in Teheran dieses auftrumpfende Verhalten möglich wird. Denn dass die Opposition nach wie vor deutliche Lebenszeichen von sich gibt, erzeugt im Westen einen seltsam paradoxen Effekt: Die Existenz der Opposition wird von der westlichen Öffentlichkeit und den westlichen Regierungen als Begründung dafür herangezogen, dass man dem Iran nicht allzu schroff entgegentreten dürfe. Würde man dies tun, heißt es, würde man die „Hardliner“ nur noch mehr reizen, die Opposition als Agentur des Westens hinzustellen und sie noch ruchloser zu verfolgen als dies ohnehin schon der Fall ist. Daraus, dass er der Opposition weiterhin die angeblich vorhandene Chance bewahren will, die Verhältnisse im Iran umzustürzen, leitet der Westen eine scheinbar moralisch grundierte Legitimation für seine Leisetreterei gegenüber dem aktuell herrschenden Regime in Teheran ab."

Alles sehr zutreffende Worte. Insbesondere die "Leisetreterei" (Zitat: Richard Herzinger) des Westens gegenüber dem Iran mutet inzwischen äusserst seltsam an. Es sind genau solche Zeiten, in denen man sich wünschte, dass der Leader der freien Welt und Garant der Bewahrung des europäischen Aufklärungsprojekts - der Präsident der USA - nicht ein unerfahrener Selbstdarsteller ist, sondern ein notfalls die Freiheit der Menschen auch mit Waffengewalt erkämpfender Neocon.

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