Sonntag, 29. März 2009

Falsches Bewusstsein resultiert in verkürzte kapitalismuskritische Analysen

Einen cleveren Beitrag von Stephan Grigat vom 'Café Critique' zur Renaissance der Kapitalismuskritik vor dem Hintergrund der manifest gewordenen Krisenerscheinungen des Spätkapitalismus gab es vor etwas mehr als 2 Monaten in der 'Jungle World'.

In "Fetisch und deutsche Ideologie" analysiert er u.a., dass die Urständ feiernden kapitalismuskritischen Töne oftmals genug die Kritik mit dem Ressentiment verwechseln, das Ausdruck eines falschen Bewusstseins vieler dieser Bedenkenträger ist:
"Jene Renaissance ging aber genau wie die jetzige mit einer Wiederkehr von reformistischen Politikkonzepten einher, die den Staat gegen den Markt in Anschlag bringen, anstatt Kritik der politischen Ökonomie, also Kritik von Kapital und Staat zu betreiben. Sie war und ist mit einer Begeisterung für einen politischen Aktivismus verbunden, bei der allein die Tatsache, dass Bewegung jenseits etablierter Parteien und Institutionen stattfindet, abgefeiert wird, anstatt die Problematik spontanen Protests und unreflektierten Bewusstseins zu thematisieren. Überdies ist für diese Renaissance antikapitalistischer Artikulation eine Substituierung von Kritik durch Ressentiment charakteristisch, bei der die Kritik des Kapitalverhältnisses durch die Markierung einzelner Kapitalisten, die Kritik an staatlicher Herrschaft und globalen Abhängigkeiten durch die Fixierung auf die USA und die Kritik am Rassismus durch die Propaganda vom rassistischen Wesen des Zionismus oder dem Gerede von einer gesamtgesellschaftlichen »Islamophobie« ersetzt wird."
Auch konstatiert er, dass diejenigen Linken, die sich oftmals genug auf Marx berufen, ihren Marx, wenn überhaupt, äusserst selektiv ins Feld führen:
"Von jenem Marx, der vom Koran zu sagen wusste, dass er »Geographie und Ethnographie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweiteilung in Gläubige und Ungläubige« reduziert, und der dieser angeblichen Religion des Friedens bescheinigte, sie »ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen«, will diese Linke nichts wissen. Ebenso wenig von jenem Marx, der die Befreiung vom Staat statt durch den Staat, die Abschaffung von Arbeit, Geld und Kapital, von Warentausch und repressiver Gleichheit wollte, die etatistische deutsche Sozialdemokratie und den französischen Sozialismus in Grund und Boden kritisierte und sich gegen jede ressentimentgeladene, sich stets, wie es in den »Theorien über den Mehrwert« heißt, nur gegen das Kapital in »seiner wunderlichsten und zugleich der populärsten Vorstellung nächsten Gestalt« richtende, in letzter Konsequenz antisemitische Nörgelei wandte."
Die Analyse vom und materialistische Kritik am Kapitalismus von Grigat wird man wohl bei den bevorstehenden Anti-G-20-Protesten in London vermissen. Aber involvierte Bedenkenträger, die den Teufel mit dem Beelzebub austreiben wollen (Kapital vs. Staat), sind wohl nicht dazu geeignet, ihr notwendig falsches Bewusstsein über Kapital und Staat zu reflektieren.

Keine Kommentare: