Sonntag, 3. Januar 2010

Das Jahrzehnt der US-amerikanischen TV-Serien

Spon widmet sich in einem durchaus lesenswerten Artikel dem Jahrzehnt der US-amerikanischen TV-Serien, welche die Kulturindustrie und die Popkultur mit manchen originellen Ideen geprägt haben. Die Emanzipation des Formats der TV-Serie von den früheren Verwertungsmechanismen des Fernsehens selbst hat es erlaubt, neue ästhethische und erzählerische Konzepte in den Unterhaltungsmarkt einzüführen.

Zitirieren wir zu diesem Behufe doch Gerhard Scheit:

"Während Becketts Endspiel die Deformationen vorführt, "die den Menschen von der Form ihrer Gesellschaft angetan werden" (Adorno), üben die US-Sitcoms durch die Deformationen hindurch, die sie affirmieren, zivilisatorische Standards ein, wie sie auf einer bestimmten Entwicklungsstufe kapitalistischer Warenproduktion jeweils möglich sind. Selbst diese Standards noch zu vergiften, gelingt vielleicht am wirkungsvollsten dem deutschen Tatort. Jedenfalls wäre die Kritik des Staats auf dem Gebiet der Kulturindustrie erst noch zu eröffnen." (Link)

Um diese Deformationen zu skizzieren, "die den Menschen von der Form ihrer Gesellschaft angetan werden" (Adorno), sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt, dass insbesondere in Old Europe die Form der US-amerikanischen Gesellschaft oftmals auf offene Ablehnung und schroffe Zurückweisung stösst. Das anti-amerikanische Ressentiment ist weit verbreitet, insbesondere auch im linken und popkulturellen Juste Milieu. Spon konstatiert daher zu Recht - wenn auch etwas simplifizierend - Folgendes:

"Dabei entbehrt es nicht einer feinen Ironie, dass in einer Dekade des populistischen, oft tumben Antiamerikanismus, der erst mit der Wahl Barack Obamas nachlassen sollte, gerade innovative Prime-Time-Programme aus den USA unsere Sehgewohnheiten nachhaltig veränderten."

Ein Produkt jener "zivilisatorischen Standards, wie sie auf einer bestimmten Entwicklungsstufe kapitalistischer Warenproduktion jeweils möglich sind", von denen Gerhard Scheit schreibt, ist zweifelsohne die Zeichentrickserie 'Family Guy', die mit dadaistisch zu nennemdem Humor die Verhältnisse besonders köstlich ad absurdum führt.

'Dexter', eine Krimiserie, ist ein weiterer Meilenstein des Formats der TV-Serien. Die Hauptfigur - der Serienmörder Dexter - ist trotz seines Blutdurstes und seiner Ambivalenz ("People fake a lot of human interactions, but I feel like I fake them all.") äusserst liebenswürdig. Oder wie es die 'Jungle World' schreibt:

"Irritierend ist nicht, dass hier ein auf den ersten Blick normaler Mensch lustvoll mordet, das gab es schon, sondern dass die Serie es schafft, uns einen Mörder als Sympathieträger anzudrehen, mit dem wir mitleiden und uns freuen, wenn er, obwohl er ab der zweiten Staffel die eigenen Kollegen und das FBI an den Hacken hat, immer wieder gerade noch einmal davonkommt."

Ganz unterhaltsam ist auch die Satireserie 'Californication' - eine Persiflage auf Hollywood. Die 'Jungle World' schreibt:

"Der Gegensatz zwischen New York als Ort mit Kultur, Style, Geist und dem Sündenpfuhl Los Angeles, wo die schlauen Bücher, die in Manhattan geschrieben, gelesen und debattiert werden, zu hirnlosem Hollywoodschrott verarbeitet werden, ist inzwischen Thema vieler US-Serien, von »Sex and the City« bis »Curb«. In keiner Serie aber wurde die »Kalifornisierung« der Kultur bisher in grelleren Farben ausgemalt als hier."

Larry David schliesslich brilliert mit 'Curb your Enthusiasm' zum wiederholten Male, nachdem er bereits bei 'Seinfeld' - der wohl besten TV-Serie der Welt - beteiligt gewesen ist. Wiederum die 'Jungle World':

"Man wird hier auf einem Niveau unterhalten, das für deutsche Fernsehverhältnisse so unvorstellbar hoch ist, dass es wohl kein Wunder ist, dass »Curb« in den USA zwar über mehrere Staffeln erfolgreich auf dem Bezahlsender HBO lief, sich hierzulande jedoch niemand für die Serie interessierte. »Curb« ist zu gut für das deutsche Fernsehen, man muss es wohl genau so schlicht sagen."

Oder auch:

"Was David auch anstellt, irgendwas läuft immer schrecklich schief. Was wohl auch daran liegt, dass unser Mann ein typisch jüdischer Ostküstenintellektueller ist, der aber nun mal nicht in New York lebt, sondern in Santa Monica bei Los Angeles. Ein Feingeist trifft hier also nicht auf ein ähnlich gelagertes, eher europäisch orientiertes Intellektuellen-Milieu, sondern auf dieses Kalifornien-Amerika der reinen Oberfläche, in dem sich David einerseits zwar auch wohl fühlt, andererseits aber auch wieder gar nicht."

'Veronica Mars', 'Sopranos', 'The Wire' und 'Deadwood' sind weitere grandiose Serien.

Alles in allem kann man also sagen, dass "Fernsehserien (...) das neue Kino" sind, "nur viel besser." (Link)

1 Kommentar:

BesteSerien.de hat gesagt…

Der letzte Satz passt gut, ich glaube ich habe selbst dieses und letztes Jahr mehr TV Serien als Kino Filme gesehen und ich rede nicht von meheren Episoden sondern von unterschiedlichen Serien !