Freitag, 28. August 2009

Change I believe in

Die Weltwirtschaftskrise sorgt für makro- und mikroökonomische Umwälzungen auf der ganzen Welt - Glaubenssätze wie etwa derjenige, dass sich der Staat aus den Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage herauszuhalten habe, werden in erzliberalen Gesellschaften über Nacht geopfert, um das Wirtschaftssystem, die kapitalistische Marktwirtschaft, vorgeblich zu retten. Auf der weltpolitischen Ebene bahnen sich ebenfalls Veränderungen an; die Obama-Administration ist bestrebt, die Bush-Doktrin des Unilateralismus - die im Notfall auf den Präventivkrieg gegen Schurkenstaaten setzt und die auch darauf ausgelegt ist, Menschenrechte und Demokratie weltweit einzufordern - durch eine mutlipolare Weltordnung zu ersetzen, in welcher neben den USA auch aufstrebende Mächte wie China, Indien und Russland massgeblich sein sollen.

Die weltwirtschaftspolitischen Tendenzen, dass der Staat in Krisen als bedeutender Wirtschaftsakteur auftritt, ist notwendiges und inhärentes Moment des Kapitalismus. Um sich selbst zu erhalten, bedarf der Kapitalismus der Schutzfunktionen des Staates. Es geht ferner auch darum, dass die Repräsentanten des Staates, Politiker und Bürokraten, mittels staatlichem Interventionismus und Dirigismus ihre eigene Machtposition innerhalb der kapitalistischen Vergesellschaftung zu verteidigen versuchen. Schliesslich sei daran erinnert, dass der Markt und der Staat zwei Seiten derselben Medaille darstellen. Letzterer versucht alles in seiner Macht stehende zu tun (wobei er sich dabei oftmals nicht an rechtsstaatliche Prinzipien zu halten pflegt), damit der Markt einigermassen funktioniert.

Diese übergreifenden Umwälzungen bilden den Rahmen, in dem sich momentan auch die Schweiz befindet. Lange als selbstverständlich, beinahe als mythisch wahrgenommene Ideen werden - einmal mehr - auf den Boden der Realität geholt. Das schweizerische Bankkundengeheimnis, sofern es denn jüngst noch nicht gänzlich durchlöchert worden ist, hat viel an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Die Schwächen der schweizerischen Regierung, in der systembedingt auf lange Sicht keine Alphatiere wie etwa ein Blocher wirken können (der Primat der Mittelmässigkeit, der sich auch in der Regierung auszudrücken hat, ist den Schweizern trotz allen Umwälzungen weiterhin heilig), werden infolge der Libyen-Affäre, infolge der lächerlichen 'Schwarzen Liste' der OECD bzw. der G-20 und generell infolge des Drucks der ausländischen Steuerbehörden manifest.

Innenpolitisch ist das Land gespalten - eine Studie hat nun sogar gezeigt, dass die Schweizer Sozialdemokraten in Europa am linkesten politisieren, vergleichbar mit Oskars 'Die Linke'. Während bei den Christdemokraten weiterhin keine klare Positionierung zu erkennen ist und sie sich dementsprechend bei den Linken anbiedern, sind die Rechten angriffig wie immer. So wollen sie etwa darüber mitbestimmen, welche Kandidaten und Kandidatinnen die FDP für die Nachfolge Bundesrat Couchepins vorschlagen soll. Und die FDP selbst gibt eine eher traurige Figur ab. Bundesrat Merz hat in der Libyen-Affäre die demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien arg strapaziert. Irritierend ist auch, dass er seine Vorgehensweise noch gegen die berechtigste Kritik verteidigt.

Viele Selbstverständlichkeiten werden dieser Tage in der Schweiz also in Frage gestellt - die Konkordanz scheint nicht mehr das zu sein, was sie einmal war und das Bankkundengeheimnis wurde in den USA offensichtlich zum Steuerbetrug missbraucht.

In dieser spannungsreichen Zeit ist es also durchaus angezeigt, auch eigene Glaubenssätze und Selbstverständlichkeiten kritisch zu hinterfragen. Ich bin also über mich zu Gericht gesessen und habe Folgendes festgestellt:

1. Der Liberalismus, dem ich wohl am ehesten zuzuordnen bin, macht dieser Tage weltweit und in der Schweiz keine gute Figur. Weltweit insofern, als dass die momentan vorherrschende Ideologie, der Keynesianismus, auch von manchen vermeintlichen Liberalen gefordert und gefördert wird. In der Schweiz sodann, wo die Liberalen im Unterschied zu anderen kontinentaleuropäischen Ländern noch immer (einen inzwischen zwar auch nicht mehr so grossen) Einfluss ausüben, vertreten die Liberalen in der Krise zuweilen fragwürdige Positionen. Aussenpolitisch scheinen sie, mit Ausnahmen (ein Markus Hutter oder auch eine Martine Brunschwig-Graf etwa sind aussenpolitisch versierte Politiker, die den Durchblick haben), vollkommen von der Rolle zu sein. Der Canossa-Gang Merzens nach Tripolis wird aus den eigenen Reihen bislang kaum kritisiert. Auch der Empfang Ahmadinejads durch Merz in Genf anlässlich der sogenannten 'Antirassismus'-Konferenz ist in unguter Erinnerung. Fazit: Wirtschafts- und aussenpolitisch steckt der Liberalismus zur Zeit weltweit und in der Schweiz in einer Krise.

2. Als Folge davon, ist es an der Zeit, auch das Leitorgan des Liberalismus in der Schweiz, die 'Neue Zürcher Zeitung', kritisch zu begutachten. Ich bin zum Schluss gekommen, dass eine Kündigung des Abonnements die richtige Entscheidung war. Seit Martin Woker neuer Chef der Auslandredaktion ist, erhält das Thema Israel überdurchschnittlich viel Publizität. Die meisten Artikel sind dermassen tendenziös, dass man glauben möchte, den 'Tages-Anzeiger' oder die 'Wochenzeitung' zu lesen. Immerhin hat Viktor Kocher, der notorische israel'kritische' Nahostkorrespondent der 'NZZ', seinen Posten in Limassol verlassen. Er tat dies freilich genau so, wie er über den Nahen Osten stets zu berichten pflegte: mit einer Anklage an den jüdischen Staat.

Es stört mich auch sehr, dass auf 'NZZ online' jede Kleinigkeit aus Israel medial aufgeplustert wird. Würde im Moment nicht die Libyen-Affäre die Schlagzeilen dominieren, würden auf 'NZZ online' die Beiträge zu Israel diejenigen sein, die am meisten kommentiert werden. Es kommentiert dabei stets das gleiche armselige Häufchen von Israel'kritikern', Antizionisten und Antisemiten, dessen Wortführer Ernst Graf, Peter Liebold, Franz Wittge und Christian Pfister sind. Hierzu zwei aktuelle Beispiele:

"Richtig, Herr X. Entweder die israelischen Verantwortlichen verstehen den Druck oder der Staat IL, wie er noch existiert geht seinem Ende entgegen. Allerdings bin ich nicht der Meinung, dass es einen derart freidlichen Wechsel weg von diesem Apardheitssystem geben wird. Viel wahrscheinlicher ist mir, dass Israel mit aller Gewalt diesem Schicksal zu entrinnen versuchen könnte; Deportationen, Terror, vielleicht sogar der Einsatz der Atombombe. Die Art und Weise mit welcher Rücksichtslosigkeit IL sich Lebensraum im Osten zu verschaffen sucht, ist ein Beleg für die Ruchlosigkeit der Verantwortlichen. Die Vorwürfe bei Benennung dieser Geschehnisse von solchen Kommentatoren, wie Hr. X offenbar einer ist, sind der bekannte Versuch, Kritiker der Verbrechen Israels als Antisemiten zu verunglimpfen. Die Schmach dabei aber ist die Respektlosigkeit, die den Opfern von damals und heute entgegengebracht wird. Damals den verfolgten Juden, heute den besetzten Palästinensern." (Link)

"Israel soll keine Forderungen stellen ...
... sondern seinen Verpflichtungen nachkommen. Nach Art.73 der UNO-Charta sind sie verpflichtet für menschenwürdige Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten zu sorgen. Stattdessen sind sie der Grund für Hunger, Wassermangel, Not. Olivenhaine werden hektarenweise und grundlos niedergewalzt. Behausungen werden abgerissen, das beste Land annektiert, die Bevölkerung niedergemacht durch rassistische Soldaten, für die Araber Tiere sind (Quelle: Shamir, Yoav: Checkpoint (Dokumentarfilm), Israel 2003.). Palästina ist kein Staat, sondern Israelisches Operationsgebiet, zur Erinnerung für alle, die den palästinensischen Behörden die Verantwortung für irgendetwas übertragen wollen." (Link)

Neben apokalyptischen Weltende-Visionen kommen in diesen Voten auch antizionistische Vernichtungswünsche zum Ausdruck. Mir widerstrebt es sehr, dass diese Kommentare bei 'NZZ online' toleriert werden.

Seit also Martin Woker die Nachfolge von Hansrudolf Kamer, der neokonservativen Ideen wohlgewogen ist, angetreten hat, scheint auch die thematische Ausrichtung der 'NZZ' im Auslandsteil eine Veränderung erfahren zu haben. Die Hetzjagd bezüglich der israelischen Siedlungspolitik ist auch in der 'NZZ' eröffnet worden. Dieselbe 'NZZ', die im Jahre 2003 den Irak-Krieg mehrheitlich unterstützte und die internationale Diplomatie kritisierte, scheint sich nun zunehmend von diesen edlen neokonservativen Ideen in der Tradition der amerikanischen Neocons zu distanzieren. So überrascht es nicht, dass Ernst Graf den neuen Chefredakteur der Auslandredaktion auf 'NZZ online' beglückwünscht:

"Road Map umsetzen
Martin Woker: " ein Ende der diplomatischen Ächtung der Hamas wäre ein Schritt in die richtige Richtung " . Bravo, Herr Woker, mit Jbi und Ihnen weht jetzt ein frischer neuer Wind in die ehemals verstaubten Redaktionsstuben des Hans Kamer." (Link)

Fazit: Aus diesen Gründen war es die richtige Entscheidung, das Abo der 'NZZ' zu kündigen.

3. Die bedingungslose Solidarität mit Israel ist umso wichtiger, als die Hetzjagd auf den jüdischen Staat namentlich in europäischen Medien wieder zunimmt. Fazit: Der realen Gefahr des antisemitischen Vernichtungswunsch, der Juden und Jüdinnen auf der ganzen Welt durch Antisemiten, aber hauptsächlich in Israel durch feindliche Nachbarn ausgesetzt sind, gilt es die Stirn zu bieten. Notfalls auch so, wie es Quentin Tarantino in seinem neuen und sehr schönen Film 'Inglorious Basterds' vormacht: mit purer Waffengewalt gegen Nazis und ihre islamistischen Verbündeten.

4. Die Positionen der antideutschen Kommunisten - namentlich diejenigen von der 'Bahamas' - sind aus den geschilderten 3 Punkten die notwendige Konsequenz: Um den Liberalismus zu bewahren, muss er auch gegen die Liberalen in Stellung gebracht werden. Dies geschieht durch materiell fundierte Ideologiekritik, die einzig die antideutschen Kommunisten in einer angemessenen Form - sowohl inhaltlich als auch sprachlich - zu formulieren vermögen. Antideutscher Kommunismus denkt den Liberalismus und den Neokonservatismus zusammen - also diejenigen Konzepte, die wirtschafts- und aussenpolitisch im Jahre 2009 die sinnvollsten sind. Das heisst aber nicht, dass diese beiden Ideen nicht auch einer radikalen Kritik unterzogen würden - im Gegenteil: Die 'Bahamas' formuliert eine solche Kritik mit Blick auf eine Aufhebung der kapitalistischen Vergesellschaftung auf dem Höhepunkt ihres emanzipatorischen Potenzials deshalb sehr zu Recht. Die Weltgesellschaft der Freien und Gleichen ist deshalb das anzustrebende Ideal - auch hier bei 'Höllensturz'.

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